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Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz: Problem und Lösung zugleich!
Dunkel Hell

Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz: Problem und Lösung zugleich!

Marlene Amalie Magerl
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Das Thema psychische Gesundheit erregt derzeit die Gemüter: Der stetige Wandel in internationalen Arbeitsmärkten, Corona, Home-Office… Es gibt kaum ein Muster, was so zuverlässig bei allen arbeitsrelevanten Kernthemen wiederkehrt. 

Und zu Recht: Psychische Erkrankungen sind die einzige Krankheitsgruppe mit konstant steigenden Krankheitszahlen. In allen anderen Krankheitsgruppen sind die Zahlen rückläufig. Der Anteil an Krankschreibungen wegen psychischer Probleme ist in den letzten 40 Jahren um über 10% gestiegen. Heute leidet jede*r Dritte an einer psychischen Krankheit. Dazu kommen die wesentlich längeren Ausfallzeiten bei psychischen Problemen: Betroffene sind beinahe 40 Tage krankgeschrieben, dreimal länger als bei anderen Erkrankungen. Die Corona-Pandemie potenziert das Problem weiter. Laut der DAK sind heute so viele Menschen wegen mentaler Gesundheitsprobleme krankgeschrieben wie nie. All das passiert trotz viel mehr Wissen über mentale Gesundheit, medizinischem Fortschritt und wesentlich besserer Anerkennung von Psychotherapie und Coaching, im Vergleich zu früheren Zeiten. 

Warum mich das Thema Psyche so sehr beschäftigt

Seit Beginn meines Dualstudiums vor ziemlich genau 10 Jahren habe ich mit dem Thema psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu tun. Ich habe damals ein prestigeträchtiges und innovatives Programm mit Doppelabschluss absolviert, welches mit dem Studium an zwei Hochschulen in Deutschland und Polen und zahlreichen Praktika im Ausland verbunden war. Bis heute bin ich wahnsinnig dankbar für diese Chance und die vielen besonderen Erlebnisse des Studiums. Jedoch erlebte ich an mir selbst und auch an jüngeren Studentinnen, deren Mentorin ich war, dass wenig Raum für unser Wohlbefinden und unsere psychische Verfassung vorhanden war. Die Lösung waren stets individuelle Maßnahmen: Gespräche mit Sozialarbeiter*innen, Therapeut*innen, Yoga, Sport. Wir haben gelernt, dass mentale Stärke zu entwickeln, unsere eigene Verantwortung war.

Im Verlauf wurde ich Managerin und wechselte 2016 in die Arbeitsmedizin, wo ich gemeinsam mit meiner Mutter und meinem Bruder ein Dienstleistungsunternehmen für Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit aufbaue. Darauf folgte das Medizinstudium, Forschung zum Thema und letztlich auch meine Coaching-Ausbildung. Heute habe ich eine klare Vision zum Thema Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz: Ich bin überzeugt, dass das Thema psychische Gesundheit ganz oben auf die Agenda in jeder Organisation gehört und tief im Gesundheitsmanagement unserer Betriebe verankert sein muss.

Psychische Gesundheit ist die Lösung für viele große Fragen

Wer heute durch die großen Management- und Wirtschaftsmagazine scrollt, stellt schnell fest: Fachkräftemangel, steigende Krankheitszahlen vor allem durch psychische Erkrankungen, Schwierigkeiten mit der Umsetzung von Diversität in Unternehmen, The Great Resignation. Viele der großen Sorgen, die Unternehmen derzeit beschäftigen, haben direkt mit den Mitarbeitenden und ihrer Gesundheit zu tun. Meine These: Wenn wir einen neuen Umgang mit psychischer Gesundheit finden und die Bedingungen für psychisches Wohlbefinden in den Unternehmen verankern, lassen sich viele dieser Probleme leichter bewältigen. Dazu ist es erstmal wichtig zu verstehen, was psychische Gesundheit überhaupt ist. Die WHO Definition lautet: 

Psychische Gesundheit ist ein Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann.

In dieser Definition können wir drei wichtige Elemente psychischer Gesundheit wiederfinden: Handlungsfähigkeit, Belastbarkeit und Produktivität. Zudem befähigt gute psychische Gesundheit laut der Definition zu sozialer Teilhabe. Ich glaube, dass Angestellte in diesem Zustand als die “idealen Arbeitnehmenden” gesehen werden könnten – eine handlungsfähige, belastbare und produktive Person, die befähigt ist, sich sozial zu beteiligen und etwas beizutragen. Die anpacken kann, sich wohl fühlt und dadurch aus dem Vollen schöpfen kann.

Wichtig ist mir auch, dass es beim Gesundheitsbegriff nicht um die Abwesenheit von Krankheit geht. Es geht ums Wohlbefinden. Als Systemikerin sehe ich hier den wichtigsten Unterschied zwischen dem Verhindern von Erkrankung und dem Fördern von Gesundheit: Es geht darum, auf Systemebene die bestmöglichen Umstände zu kreieren, damit Mitarbeitende sich wohl fühlen und dadurch auch Bestleistungen erzielen können. 

Wir müssen weg von Individuallösungen

Wer heute psychisch angeschlagen ist, wartet häufig bis zur letzten Minute, bevor er*sie über die Probleme spricht. Das Stigma ist nach wie vor überall greifbar. Was dann passiert, sind in der Regel Individualmaßnahmen: Achtsamkeitstrainings, Freistellung zur Erholung, Urlaub im Grünen. Das Problem wird dabei jedoch nicht gelöst. 

Dazu ein Beispiel: 

Siehe auch
Tag der Depression Neue Zuversicht finden-Artikelbild

  1. Ein*e Angestellte*r wird wegen psychischer Probleme krankgeschrieben. In vielen Betrieben fehlt Offenheit dem Thema gegenüber, wodurch die betroffene Person einfach den Krankenschein abgibt, statt den Grund des Arbeitsausfalls zu benennen. 
  2. Die verbleibenden Kolleg*innen müssen den Ausfall intern abfangen, die Belastung steigt. 
  3. Das Unternehmen erhält jetzt regelmäßig eine neue Krankmeldung. Nochmal zur Erinnerung: Im Schnitt wird diese Person 40 Tage ausfallen: Das sind zwei Monate Arbeitsunfähigkeit.
  4. Je länger dieser Zustand anhält, desto mehr steigt die Belastung im Kollegium. Es wird zunehmend schwierig, den Ausfall zu kompensieren. 
  5. Dazu kommt ein steigendes Konfliktpotenzial, das Teamgefühl nimmt ab und die Kommunikation wird hitzig. Kurz gesagt: Nach einigen Wochen sind alle gestresst und überarbeitet. 
  6. Nach zwei Monaten kommt der*die Kolleg*in endlich zurück! Die Kondition ist mäßig, vermutlich wird er*sie noch eine Weile in Therapie sein. Vielleicht beginnt er*sie auch erstmal in Teilzeit, um sich langsam wieder einzugewöhnen. Das kann schwierig werden: Vor allem in Positionen mit hoher Verantwortung besteht oft die Erwartung, dass der*die Kolleg*in alle losen Fäden direkt aufgreift, die durch die Fehlzeit entstanden sind.
  7. Das Ergebnis ist vorprogrammiert: Es ist eine Frage der Zeit, bis er*sie wieder ausfallen wird. Die psychosoziale Belastung am Arbeitsplatz hat in der Zwischenzeit eher zu- statt abgenommen, und die alten Schwierigkeiten, welche zum Ausfall beigetragen haben, sind vermutlich auch nicht behoben. 

Es braucht systemische Strategien, um den Abwärtstrend zu durchbrechen

In Unternehmen, wo viele Mitarbeitende wegen psychischer Erkrankungen ausfallen, kündigen oder schnell gekündigt werden, besteht ein systemisches Problem. Häufig sind auch Frauen von diesen Schwierigkeiten betroffen, denn leider sind sie immer noch zweimal so häufig von psychischen Problemen betroffen wie Männer. Gerade die jungen Generationen – Millennials und Gen Z – lassen sich das nicht mehr gefallen, wie die Great Resignation deutlich zeigt. Organisationen, welche das Thema Psyche also nicht ganz oben auf die Agenda schreiben, werden in den nächsten Jahren große Schwierigkeiten bekommen, ihre Fachkräfte zu halten.

Jede gut ausgebildete Kraft in Deutschland hat heute einen Job. Damit ist es nicht mehr an den Jobsuchenden, die Arbeitgebenden von sich zu überzeugen, sondern es muss umgekehrt gehen.  Wie genau, ist wiederum stark von der Größe und Art der Organisation abhängig. Dazu gibt es Systematiken und Ansätze, die vom klassischen Belastungs-Beanspruchungsmodell bis hin zu Diversitätstrainings reichen können. Firmen, die eine gesundheitsfördernde Arbeitskultur nachweisen können, werden dabei zukünftig die Gewinner sein und sich über produktive und zufriedene Mitarbeitende freuen dürfen, welche ihre Fähigkeiten ausschöpfen können.

Ich kann es kaum erwarten!

Mein Kontakt

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Über die Autorin

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Marlene glaubt fest daran, dass eine menschliche, inklusive Wirtschaft produktiver und profitabler ist. Wer heute seine Branche revolutionieren will, wird sich um seine größte Ressource bemühen müssen: Die Mitarbeitenden!

Dieses Thema geht sie aus verschiedenen Perspektiven an: Marlene ist zertifizierte systemische Beraterin und Business Coach mit zusätzlichem Schwerpunkt auf systemischer Organisationsberatung und Organisationsentwicklung. Sie hat an renommierten Universitäten Wirtschaft und Medizin studiert, unter anderem an der Universität Groningen und in Cambridge. Zudem ist sie Teil der Geschäftsführung im Familienunternehmen Koamed, einem Dienstleister für Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit. Neben ihrer unternehmerischen Tätigkeit forscht Marlene zu Arbeit und psychischer Gesundheit bei jungen Erwachsenen an der Universität Groningen und ist angehende Ärztin.

Marlene will die Wirtschaft menschlicher machen und ihre Klient*innen für die Arbeitswelt der Zukunft wappnen!

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