Du liest gerade
“Jede Business-Entscheidung ist eine Klima-Entscheidung” – Wie Gründerin Lara Obst Unternehmen zu Klima-Champions macht
Dunkel Hell

“Jede Business-Entscheidung ist eine Klima-Entscheidung” – Wie Gründerin Lara Obst Unternehmen zu Klima-Champions macht

Kinga Bartczak
Jede Business-Entscheidung ist eine Klima-Entscheidung-Artikelbild

Sie ist Nachhaltigkeitsunternehmerin, Klimaschützerin und Hoffnungsträgerin: Im heutigen FemalExperts-Interview freuen wir uns, euch Lara Obst, Gründerin von THE CLIMATE CHOICE und Veranstalterin des diesjährigen Climate Transformation Summit 2023 am 11. und 12.05.2023, vorzustellen.

Liebe Lara, wie schön dich unseren Leser*innen bei FemalExpers vorstellen zu können! Ich starte direkt mit dem Interview und würde mich freuen, wenn du uns einen kleinen Einblick zu deiner Person geben möchtest: Wer ist Lara Obst und wie wurde aus ihr eine Expertin für den Klimawandel?

Danke Kinga, es freut mich sehr, meine Climate Journey teilen zu können! Tatsächlich hätte ich nie gedacht, dass ich hier lande. Ich habe mich nach der Schule vor allem im Bereich Kunst und Innovation ausgetobt. Mich hat es immer interessiert, Probleme zu lösen und neue Wege hierfür zu finden. Im Studium hatte ich dann aber 2014 meinen Klima-Aha-Moment, als ich bei Prof. dr. Ottmar Edenhofer den damaligen IPCC Bericht des Weltklimarats studieren durfte. Das war schockierend. Zum Glück wurde in dem Forschungsbericht aber nicht nur aufgezeigt, dass unser Planet in einem desolaten Zustand ist, sondern auch, dass es bereits erprobte Lösungen gibt, um ihn zu schützen. Das war der Moment, als ich mich entschieden habe, diese Lösungen sichtbar zu machen und in die wirtschaftliche Praxis zu bringen. Denn es fehlt uns nicht an ClimateTech-Innovationen, sondern an der Anwendung und Umsetzung. So wissen viele Unternehmen nicht, dass typischerweise 90% und mehr ihrer Emissionen aus der Lieferkette kommen. Es zählt also jede Kaufentscheidung und die Zusammenarbeit mit Geschäftspartner:innen. Genau hier setzen wir an!

Mit eurer entwickelten Software-Plattform schafft ihr es, mehr Klimatransparenz in Lieferkettenprozessen zu schaffen, sodass Unternehmen ihre Lieferant*innen direkt in ihre Dekarbonisierungsstrategien einbinden können. Wie genau funktioniert dieser Prozess?

Heute passiert dieser Prozess häufig noch recht unstrukturiert und unübersichtlich. Klimabeauftragte senden an Lieferanten Excel-Tabellen und zahlreiche E-Mails über das Procurement, um Daten zu erfassen und den Klimareifegrad ihrer Lieferkette einzuschätzen. Lieferanten sowie Lieferantinnen wiederum erhalten ständig neue Fragebögen und kennen sich selten in der Tiefe mit der Thematik aus. Insgesamt ist so der Prozess top-down, beidseitig unbefriedigend und erzielt meistens Daten in schlechter Qualität. Das ändern wir. Wir ermöglichen über unsere Plattform eine einheitliche Datenerhebung entlang internationaler Klimaberichtsvorgaben, die mit Drittdaten abgeglichen werden können und am Ende in hoher Qualität vergleichbar vorliegen. Diese Grundlage ermöglicht dann auf der einkaufenden Seite Transparenz darüber, wo die eigene Lieferkette steht und wie man sie unterstützen kann, um Emissionen zu reduzieren. Lieferanten/Lieferantinnen auf der anderen Seite erhalten Transparenz darüber, wo ihr Klimareifegrag liegt, welche Best Practices ihnen helfen, sich zu verbessern und wie sie in der entsprechenden Lieferkette abschneiden. Gerade dieses Wissen fehlt ihnen bislang häufig, so kann aber auch keine gemeinsame Verbesserung stattfinden. Wir setzten stattdessen auf Kollaboration und die gemeinsame Umsetzung von Maßnahmen. 

Worin siehst du in diesem Zuge persönlich die größten Herausforderungen, wenn es darum geht, gemeinsam mit Lieferant*innen CO2 zu reduzieren und einzusparen?

Weltweit gehen 50% aller Emissionen auf nur 8 Lieferketten zurück. Das ist enorm. Und zeigt, wie komplex das Problem ist. Diese Lieferketten beinhalten tausende Unternehmen, die zum Großteil KMUs sind. Ihnen fehlen die Ressourcen und das Wissen, um die eigene Klimatransformation umzusetzen. Gerade in den letzten Jahren gibt es ja einige Krisen. Man muss also verstärkt auf Kompetenzbildung und Zusammenarbeit setzen. Wir wissen ja, dass das Klimaziel 17 (#SDG17) der UN am effektivsten ist. Wenn alle Teilnehmenden in einer Lieferkette das gleiche Wissen und Tools haben, um die nächsten Schritte zu gehen, dann sehen sie automatisch einen eigenen Vorteil darin, dieses Wissen zu nutzen. Sie können dann einfach teilnehmen und sich durch Dekarbonisierungsmaßnahmen auszeichnen, anstatt abgestraft zu werden. So besteht ein Anreiz zum “Climate Champion” und so Teil der Lösung zu werden!

Nun leben wir in einer globalisierten Welt und stehen mit unseren Klimazielen nicht allein vor dieser Herausforderung. Inwieweit beeinflussen persönliche, unternehmerische, aber auch politische Perspektiven die Umsetzung der Klimaziele?

Der Mensch steht immer am Anfang. Wir alle entscheiden am Ende emotional und suchen dann “logische” Gründe. Man muss Entscheider:innen und Geschäftspartner:innen also persönlich abholen, wo sie sind und ihnen die nächsten Schritte möglichst einfach machen. 

Wir alle können Teil der Lösung werden, wissen aber oft nicht wie. Hier hilft es, aufzuzeigen, wie man durch Klimaschutz die eigenen Risiken reduziert und Kundenbindung stärkt, aber auch ganz neue Marktanteile für sich gewinnt. Der Markt entwickelt sich nämlich rasant weiter, gerade durch politische Vorgaben. In der EU wollen wir bis 2030 55% der Emissionen im Vergleich zu 1990 einsparen. Unternehmen, die jetzt nicht loslegen, werden sehr schnell abgehängt sein. Sie zahlen dann hohe Steuern für Emissionen und werden als Lieferanten untauglich. 

Welche Möglichkeiten siehst du hier konkret, um die Einflussnahme in eine positive Richtung zu lenken?

Der erste Schritt ist für mich das Wissen. Ich glaube fest daran, dass wenn Unternehmen wissen, wie sie Klimamanagement ganzheitlich umsetzen können und nicht nur CO2 messen, sondern auch ein verbessertes Management aufsetzen, Mitarbeiter schulen und konkrete Reduktionsmaßnahmen durchführen, dies auch tun. Die meisten haben inzwischen verstanden, dass sie nur so am Markt langfristig dabei sind – egal in welcher Branche. Denn gerade auch die Endkund:innen und Mitarbeitende verlangen von Unternehmen mehr als Ziele. Sie wollen wissen, was passiert und ob ein Unternehmen Klimaschutz umsetzt. Stakeholder nehmen jetzt schon einen sehr großen Einfluss. Und das ist gut so!

Mit dem Climate Transformation Summit verschreibt ihr euch ebenso der Förderung der Diversität im Hinblick auf die Klimatransformation. Nimm unsere Lesenden hier gerne mal mit auf eure Reise: Welche konkreten Vorteile bietet es (aus wirtschaftlicher Perspektive), wenn Diversität in Unternehmen zunehmend mehr Einzug hält?

Das geht direkt mit der Logik eines ganzheitlichen Klimamanagements Hand in Hand. Klimaschutz agiert nicht im luftleeren Raum, sondern ist Teil der allgemeinen Geschäftsstrategie, des Business Modells und der Kultur. Das kann man nicht getrennt von allem anderen umsetzen. Es betrifft jede meiner Geschäftsentscheidungen – und somit meine Kund:innen, Geschäftspartner:innen und Mitarbeitenden. Wenn ich hier Synergieeffekte schaffen will, um erfolgreich zu sein, dann ergibt es nur Sinn, Klimaschutz als Innovationstreiber zu sehen. Viele Unternehmen binden es ganz natürlich an Digitalisierungsthemen, aber auch gerade Diversität bietet sich an. Man denkt über seine Kultur, seine Arbeitsweise und Geschäftsbeziehungen neu. Hier gibt es oft auch Nachholbedarf in Bezug auf Diversität. Beim Climate Transformation Summit bieten wir daher ganz bewusst gerade auch weiblichen Führungspersonen eine Bühne, u.a. von der DB, IKEA, Funke Medien, GLS Bank und B.A.U.M. e.V.

Auch wir sind mit unserem Magazin aktiv in diesem Bereich unterwegs und entsprechend kann ich dir nur beipflichten, dass es hier viele Chancen gibt, die sich entfalten, wenn wir diese Herausforderung gemeinsam angehen. Viele Unternehmen üben sich jedoch noch in Zurückhaltung und wissen nicht genau, wie sie das Thema Diversität richtig „anpacken“ sollen: Wo siehst du hier die ersten Schritte?

Erst einmal alle einladen, sich zu beteiligen, egal wie alt, in welcher Position oder von welcher Herkunft. Häufig werden wichtige Themen zur Chefsache-Only deklariert und dann betrifft es genau eine Person. Wenn man Klimaschutz & Diversität gemeinsam als Innovationstreiber für z.B. Mitarbeiterattraktivität und strategische Weiterentwicklung nutzen will, gilt es ein #TeamImpact einzurichten, bunt gemischt. 

Inwieweit können wir Frauen uns hier vielleicht noch stärker engagieren?

Ich erlebe es häufig, dass Frauen bewusst noch etwas stärker in den Vordergrund treten können und auch aus zweiter oder dritter Reihe ihre Meinung einbringen sollten. Nur weil aktuell noch 85% aller Vorstände männlich sind, heißt das nicht, dass das so bleiben soll. Frauen sind gesucht und oft wird es sehr wertgeschätzt, wenn sie sich aktiv mehr einbringen und deutlich machen, dass sie extremen Mehrwert schaffen durch neue Perspektiven und Fachwissen.

Ich habe gelesen, dass du auch regelmäßig Frauen-Leadership-Gruppen via WhatsApp organisierst, was genau steckt hinter dieser Idee?

Mir ist irgendwann aufgefallen, dass ich bei Netzwerktreffen in der Branche recht viele Kollegen, aber weniger Kolleg:innen kennenlerne. Das ist sehr schade, da gerade im Klimaschutz sehr viele Change Makerinnen aktiv sind. Ich habe angefangen, sie bewusst anzuschreiben und zum Beispiel zum Lunch zu treffen. Irgendwann entstand daraus die Whatsapp-Gruppe, da alle die Idee großartig fanden.

Wir begrüßen als Female Empowerment Magazin natürlich jegliche Form der Kollaboration, denn Frauen in der Klimaforschung oder im Innovationsfeld dieses herausfordernden Themas brauchen dringend mehr Sichtbarkeit, Gehör sowie virtuelle/analoge Bühnen. Hast du einen konkreten Tipp an unsere Leser*innen, falls sie beispielsweise Interesse an dem Themenfeld haben, jedoch befürchten, nicht belesen genug oder keine „Expert*in“ zu sein, um hier aktiv mitzureden?

Das geht vielen so. Klima ist sehr einschüchternd, da es sehr wissenschaftlich wirkt. Es hilft also einfach ehrlich zu sein und nach Tipps zu fragen. Die meisten Menschen helfen gerne weiter. Es wirkt nur doof, wenn man Wissen vorspielt. Das braucht man gar nicht. Wir alle freuen uns, wenn man sich im Gegenüber wiederfindet und die “Maske” fallen lassen kann.

Siehe auch
Ein Interview mit Jen Martens-Gründerin von ŌMAKA-Artikelbild

In einem deiner LinkedIn-Posts hast du darüber geschrieben, dass wir alle eine „Klimakraft“ haben. Inwieweit kann auch jede/jeder Einzelne von uns im Hinblick auf den Klima- und Umweltschutz aktiv werden? 

Wie gesagt, die meisten Emissionen hängen an unseren Kaufentscheidungen. Das gilt auch privat. Genau hinschauen lohnt sich: Welche Energie nutze ich? Wie bewege ich mich fort? Was esse und konsumiere ich? Alles kann man nicht gleich angehen, aber für vieles gibt es Alternativen. Hier gilt: Reduzieren, Wiederverwenden und neu denken. 

Viele kritisieren in diesem Zuge, dass es nicht viel bringt, wenn wir jetzt Bambus-Zahnbürsten verwenden, während große Unternehmen weiterhin in einem Übermaß die Umwelt schädigen. Wie gehst du mit dem Gefühl der Ohnmacht persönlich um?

Das stimmt schon. Gleichzeitig, hören Unternehmen sehr genau auf ihre Kund:innen. Vor 10 Jahren war mein veganer Lebensstil noch sehr schwer, heute kaufe ich unkompliziert alles was ich will im Späti. Die Produktpalette ändert sich, wenn wir nachfragen. Aber nicht nur im Konsum macht man einen Unterschied. Man beeinflusst seine Mitmenschen. Der sogenannte Hand-Abdruck kann daher noch viel größer sein, als die Reduktion im eigenen Fußabdruck. Hat man 50 Menschen um sich herum beeinflusst, wer weiß was für Entscheidungen sie wiederum bei sich im Unternehmen treffen? Ich selbst habe Freunde bei Autoherstellern, Lebensmittel-Großkonzernen, etc. Die erreiche ich im zweifelsfall privat viel besser. 

Mit dem diesjährigen Climate Transformation Summit erwartet uns ein ganz spannender Auftakt zum Thema Klimatransformation: Magst du uns einen kleinen „Schnappschuss“ geben, wen wir genau dort erleben werden und auf welche Inhalte sich fokussiert wird?

Lara Obst, Mitgründerin CLIMATE CHOICE und Veranstalterin des Climate Transformation Summits; Foto: TCC

Uns ist es immer wichtig, viele verschiedene Perspektiven zusammenzubringen. Daher haben wir 50+ Expert:innen aus Politik, Wissenschaft und Praxis mit dabei – und genauso aus dem Konzern, wie aus Startups und NGOs. Ich freue mich besonders auf Paula, die sogenannte Erfinderin der SDGs (Sustainable Development Goals), ebenso auf David, Climate Lead der UN in Sachen Klima-Regulation, unsere Keynote von GermanZero, die vorstellen, welche Klimaschutzmaßnahmen jetzt wichtig sind, um doch noch eine Chance zu haben, im 1,5-Grad-Ziel zu bleiben. Und viele Stimmen aus der Wirtschaft. Von Menschen, die Teil der Lösung werden wollen, obwohl oder gerade weil sie in großen Unternehmen arbeiten, die nicht immer nur alles am Klima ausrichten. U.a. mit dabei sind IKEA, DB, Ørsted, Danone, IBM, Allianz und Ericsson. Ein besonderes Highlight sind außerdem die Deep-Dive Workshops, an denen alle Teilnehmenden teilnehmen können, um direkt an einem ihrer Fokusthemen zu arbeiten. 

Besonders spannend finde ich in diesem Zuge auch immer eine kleine „Zukunftsprognose“ zu wagen: Was glaubst du, welche konkreten Aussichten und Trends bietet aktuell der Markt für die Klimatransformation von Unternehmen?

Er bietet uns eine regenerative Zukunft. Es wird uns überraschen, wie wir 2050 zurückblicken und den Kopf schütteln, wie wir um die Jahrtausendwende Business gemacht haben. 

Abschließend möchte ich dich gerne noch fragen: Welchen Fragen und Herausforderungen möchtest du dich persönlich und dein Unternehmen, THE CLIMATE CHOICE, in Zukunft noch widmen? Wie werdet ihr euch weiterentwickeln?

Wir haben ein großartiges #TeamClimate und legen aktuell vollen Fokus darauf gemeinsam mit unseren Kund:innen unsere Plattform auszubauen, um besonders Lieferanten zu empowern, den nächsten Schritt zu gehen. Hier schließt sich der Kreis, wenn Maßnahmen umgesetzt werden und wiederum neue Lieferketten transformiert werden. Auf diesen Netzwerk-Effekt freue ich mich sehr. Wir möchten 1 Million Unternehmen erreichen. Bislang haben wir 15.000 in der Plattform. 

Liebe Lara, vielen Dank für deine Zeit und diesen spannenden Einblick in deine Arbeit. Wir von der FemalExperts-Redaktion wünschen dir in jedem Fall viel Inspiration, Kraft und spannende Mitstreiter*innen, um dieses unglaublich wichtige Thema voranzutreiben – denn das Klima und unsere Umwelt gehen uns alle etwas an.

Über die Autorin

Website | + Beiträge

Kinga Bartczak berät, coacht und schreibt zu Female Empowerment, neuer Arbeitskultur, Organisationsentwicklung systemischen Coaching und Personal Branding.

Zudem ist sie Geschäftsführerin der UnternehmerRebellen GmbH und Herausgeberin des FemalExperts Magazins.

Nach oben scrollen
Skip to content