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Mental Health unterm Weihnachtsbaum: Individuelle Herausforderung & Buchtipp „Aufwind für die Seele“
Dunkel Hell

Mental Health unterm Weihnachtsbaum: Individuelle Herausforderung & Buchtipp „Aufwind für die Seele“

Nora Hille
Mental Health unterm Weihnachtsbaum-Individuelle Herausforderung & Buchtipp Aufwind für die Seele-Artikelbild

Der Countdown läuft, nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Jetzt sind gute Ideen für Geschenke (zum Beispiel der aktuelle Buchtipp: „Aufwind für die Seele“) genauso gefragt wie ein bewusster Umgang mit uns selbst, damit wir vom Vorweihnachtsstress nicht vereinnahmt werden.

Viele freuen sich auf die freien Tage und das Beisammensein mit ihren Liebsten, anderen steht das alljährliche „Fest der Liebe“ mit Angst vor Konflikten und Stress bevor. Denn es gibt wohl kaum ein Fest, bei dem neben der (kindlichen) Vorfreude und dem Wunsch nach einer harmonischen Feier so viel Anspannung in der Luft liegt wie an Weihnachten. Gerade für Menschen mit schwierigen Familienverhältnissen, in mentalen Krisen oder mit akuten psychischen Erkrankungen kann Weihnachten eine enorme Herausforderung sein. Für manche ist es sogar die schlimmste Zeit des Jahres. Hier sind Angehörige und Freundeskreis als Unterstützer/Unterstützerinnen besonders wichtig. 

Weihnachten symbolisiert für unsere Psyche einen Meilenstein am Ende des Kalenderjahres, der für Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeit steht. Zu diesem Fest gehört es, das bestehende Jahr zu rekapitulieren. […] Für viele ist das ambivalent.

Etleva Gjoni, Diplom-Psychologin1

Wie wir dieses Fest erleben, hängt auch davon ab, wie wir es in unserer Kindheit empfunden haben, welche Erinnerungen wir damit verbinden. Was Mut machen darf: Als Erwachsene haben wir die Möglichkeit, die Weihnachtstage mehr und mehr nach unseren Vorstellungen und Bedürfnissen und damit angenehm(er) für uns zu gestalten. Dies durfte ich selbst erleben: Im Alter von Mitte 20 „entkam“ ich dem schwierigen und stets belastenden Weihnachtsfest mit meiner Mutter, indem ich ab da mit der Großfamilie meines heutigen Ehemannes feierte – ein wohltuendes Kontrastprogramm! Dies blieb auch so, als unsere beiden Kinder noch klein waren. Mittlerweile feiern wir Weihnachten seit ein paar Jahren zu Hause nur mit unseren Kindern und konnten so eigene Familientraditionen etablieren, die uns allen guttun. Statt an Weihnachten fahren wir nun Ostern für eine Woche zur Großfamilie meines Mannes.

Das erwartet euch in der aktuellen Kolumne:

Weihnachtliche Konflikte reduzieren: Das kann helfen

Oftmals haben wir hohe Erwartungen an die Weihnachtsfeiertage und an uns selbst: Die Wohnung soll tipptopp aufgeräumt, geputzt und weihnachtlich geschmückt und das Essen ein Gaumenschmaus sein, die liebevoll und sorgfältig ausgewählten Geschenke sollen die Augen der Beschenkten glänzen lassen. Und natürlich sollen sich alle gut verstehen und auf gar keinen Fall streiten!

Solch hohe Erwartungen setzen alle Beteiligten unter Druck und erhöhen das Konfliktpotenzial enorm. Das kann die Weihnachtstage entspannen:

  • Wie wäre es alternativ mit einem Mitbring-Buffett oder einem Restaurantbesuch? 
  • Beim Thema Geschenke können Regeln, die für alle gelten, das Leben leichter machen, wie zum Beispiel ein fixer Geldbetrag, der nicht überschritten werden darf, die Beschränkung auf keine oder eine festgelegte Anzahl von Geschenken; alternativ eine Spende für den guten Zweck anstelle bunter Päckchen.
  • Hat man eine große Zahl an Gästen beziehungsweise Familienmitgliedern, kann man diese zu verschiedenen Zeiten oder an unterschiedlichen Tagen treffen.
  • Nach dem Essen zu einem Weihnachtsspaziergang an der frischen Luft aufbrechen tut der Seele gut und kühlt möglicherweise erhitzte Gemüter wieder runter.
  • Und auch die Option, über Weihnachten zu verreisen und sich auf diese Weise dem Feiertagsstress zu entziehen, darf nicht unerwähnt bleiben.

Geschenkideen mit Mental-Health-Bezug

Hat man sich für eine gemeinsame Feier und auch für Geschenke entschieden, gibt es viele Möglichkeiten, Präsente mit einem Bezug zur mentalen Gesundheit zu finden. Besonders schön ist es natürlich, wenn diese die Vorlieben und Bedürfnisse der Beschenkten berücksichtigen wie beispielsweise:

  • Gutscheine für Wellness, Yogakurs, etc. 
  • Liebevoll ausgewählte Teesorten
  • Hochwertige Duft- oder Massageöle
  • Gemeinsame Aktivitäten 
  • Faszienrolle, Akupressurmatte etc.
  • Gesellschaftsspiele 
  • Bücher 

Zum letzten Punkt möchte ich euch nachfolgend ein besonderes Buch mit Mental-Health-Bezug und dessen Entstehungsgeschichte vorstellen. Dieses könnt ihr an Weihnachten selbst verschenken oder euch damit beschenken lassen und hierdurch zugleich etwas Gutes tun.

Buchtipp „Aufwind für die Seele“

Diese Spenden-Anthologie zum Thema Psyche versammelt berührende, informative und unterhaltsame, autobiographische wie fiktive kurze Geschichten von 32 Autorinnen und Autoren:

  • 200 Seiten abwechslungsreicher Lesestoff über psychische Krisen und Erkrankungen, trotz ernsten Themas voller Hoffnung und Licht.
  • Der Erlös geht an den Verein Irrsinnig Menschlich e. V., der präventiv Schulen, Hochschulen, Unternehmen und Organisationen besucht, dort gemeinsam mit Betroffenen über psychische Erkrankungen aufklärt, diese hierdurch entstigmatisiert und zu einem immer offeneren Umgang mit mentaler Gesundheit in unserer Gesellschaft beiträgt. Dazu schreibt Irrsinnig Menschlich e. V. auf ihrer Internetseite: „Wir öffnen Herzen. Wir geben Hoffnung. Wir machen seelische Krisen besprechbar.“
Prima als Weihnachtsgeschenk geeignet: Die Anthologie „Aufwind für die Seele“. Das Bild stammt von Stefanie Hempens Instagram-Account @aus_federkiel_und_tintenfass, sie hat ebenfalls eine Geschichte beigesteuert.

Das Herausgeberinnen-Team und die Idee

Die Herausgeberinnen und Autorinnen Diana Dick, Melanie Gömann und Nina Biesenbach haben vor einiger Zeit via Instagram zusammengefunden. Um Weihnachten 2021 herum entstand bei Diana Dick die Idee für die Anthologie, ausgelöst durch das Lesen eines Instagram-Posts: 

„Es ging um das Thema Selbstwertgefühl und ich erinnere mich noch, dass der Verfasser schrieb, er wünschte, er hätte mehr davon, und er fühle sich oft einsam und nichts wert. Damit steht er nicht allein. Viele Menschen haben negative Gedanken und Gefühle. Viele Menschen kämpfen mit Problemen, die sie nicht aussprechen wollen, aus Angst verurteilt oder belächelt zu werden. Aus genau diesem Grund – um mehr Aufmerksamkeit und Verständnis für psychologische Themen zu schaffen – wollte ich diese Anthologie veröffentlichen.“

Die drei Herausgeberinnen wollen psychische Belastungen und Erkrankungen mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit in unserer Gesellschaft rücken: „Wir möchten, dass es genauso normal wird, über mentale Schwierigkeiten zu sprechen wie über ein gebrochenes Bein.“ Und Nina Biesenbach fasst die Ziele bezogen auf die Zielgruppen des Buches folgendermaßen zusammen: „Mit diesem Buch möchten wir helfen, indem wir Betroffene ermutigen, bei Nicht-Betroffenen das Verständnis stärken und bei Jüngeren vorbeugen.“

Schreibaufruf und Auswahlprozess

Um mehr über den Entstehungsprozess des Buches zu erfahren, habe ich mich mit Mit-Herausgeberin Melanie Gömann zum Telefonat verabredet und brachte dabei einiges in Erfahrung: Ihrem gemeinsamen Schreibaufruf auf Instagram im Januar 2022 folgten über 60 Autor*innen, die ihre Texte einreichten, 32  schafften es ins Buch, darunter auch ein Anti-Stigma-Text von mir, worüber ich mich sehr freue. Auch die drei Herausgeberinnen haben Geschichten beigesteuert.

„Der Auswahlprozess war für uns wirklich herausfordernd“, berichtet Melanie Gömann. „Bei jeder Geschichte war klar, dass persönliche, oft sehr tiefgreifende Erfahrungen eingeflossen sind, dass sie Öffentlichkeit verdient. Der Auswahlprozess war daher extrem intensiv. Wir haben dann versucht, eine breite Mischung der verschiedenen psychischen Herausforderungen auszuwählen, und haben den ursprünglich nur für 10 bis 20 Geschichten geplanten schmalen Band auf 32 Beiträge erweitert.“

Motivation Tabuthemen sichtbar zu machen

Jetzt möchte ich wissen, wie meine Gesprächspartnerin Melanie Gömann über den langen Entstehungsprozess der Spenden-Anthologie hinweg immer wieder neue Motivation gewonnen hat.

„Insgesamt war der Herstellungsprozess des Buches ganz schön stressig und ging bei mir auch psychisch an die Substanz, das hatte ich im Vorfeld nicht erwartet. Motiviert hat mich immer wieder die Überzeugung, dass bestimmte Geschichten gehört werden müssen, weil viele Leser*innen sich darin wiederfinden können. Sie vermitteln das tröstliche Gefühl ,du bist nicht allein‘ und können so dazu beitragen, sich anderen zu öffnen. Deswegen schreibe ich auch selbst über psychische und andere Tabuthemen. Es muss normal werden, dass wir über schmerzhafte Themen sprechen und schreiben. Es muss normal werden, zu sagen ,Es geht mir seelisch nicht gut, ich kann nicht aufstehen heute.‘. Unser Buch soll zu Dialog und Erfahrungsaustausch führen.“

Melanie Gömann arbeitet nebenberuflich mit jungen Erwachsenen und Teenagern zusammen, von denen sie einige animieren konnte, selbst Texte zu schreiben: „Die Entwicklungsprozesse der Jugendlichen dabei zu beobachten, ist sehr berührend. Mit der Zeit gelangen sie immer mehr in die Selbstwirksamkeit, können sich bei Bedarf Hilfe holen.“ Genau dazu möchte auch die Anthologie „Aufwind für die Seele“ ermutigen.

An dieser Stelle unseres Gespräches fällt mir ein Zitat aus einem meiner Texte ein, denn mir ist es ebenfalls wichtig, Tabuthemen anzusprechen:

Siehe auch
Role Model Interview mit Autorin und Mental Health Kolumnistin Nora Hille-Artikelbild

„Über so vielem liegt ein Tabu. Ein leises Flüstern namens ,Sprich-nicht-davon. Rühr ihn nicht an, diesen Schmerz‘. Nicht oder nicht mehr über etwas zu sprechen beziehungsweise zu schreiben bedeutet, es dem Vergessen oder der Verdrängung anheimfallen zu lassen. Und eben das wird Menschen und ihren Schicksalen nicht gerecht.“ 

Nora Hille

Erste Reaktionen auf das Buch

Die Anthologie ist im September 2023 erschienen. Mit-Herausgeberin Nina Biesenbach berichtet über das bisherige Echo: „Wir freuen uns sehr über die Rückmeldungen zum Buch, die uns bisher erreicht haben: vom Thema der Anthologie über die Auswahl der Texte bis hin zum Cover. Betroffene schreiben, sie fühlten sich verstanden und gesehen. Jemand erzählte mir, sie sähe das ‚seltsame Verhalten‘ einer Bekannten nun aus anderer Perspektive. Eine medizinische Angestellte dankte uns für unseren Einsatz, das in ihrem Beruf so alltägliche Thema ‚psychische Probleme‘ sichtbar zu machen. Solche Rückmeldungen geben jeder Minute Arbeit, die wir in die Anthologie gesteckt haben, Mehrwert.“

Melanie Gömann dazu: „Auch wenn die einzelnen Geschichten in sich abgeschlossen sind, haben wir die Reihenfolge ganz bewusst gewählt, sie ergibt ihre eigene Dramaturgie. So war uns das positive Ende mit der Geschichte ,Taktgefühl‘ von Anea Fähe sehr wichtig.“

Klappentext und bibliographische Angaben

Wer jetzt neugierig geworden ist, findet den Klappentext und die bibliographischen Angaben online. Bei einer direkten Bestellung über BoD bleibt am meisten Geld für den Spendenzweck zugunsten von Irrsinnig Menschlich e. V. „hängen“. 

Instagram ermöglicht Austausch mit beteiligten Autor*innen

Alle Autor*innen sind im Buch mit ihrem Instagram-Account aufgeführt. So können interessierte Leser*innen diese besuchen, mehr über die Verfasser*innen und ihr Schreiben erfahren und über Kommentare oder Messenger direkt mit ihnen in Kontakt treten. 

Mit in der Anthologie dabei sind in der Reihenfolge der Veröffentlichung:

Frohe Weihnachten

Die Botschaft von Weihnachten: Es gibt keine größere Kraft als die Liebe. Sie überwindet den Hass wie das Licht die Finsternis.

Martin Luther King

Mit dieser letzten Kolumne für 2023 möchte ich allen FemalExperts-Leser*innen noch eine schöne Adventszeit und frohe Weihnachten wünschen. Seid so mutig, euch aus belastenden Erwartungen zu befreien und gestaltet die Feiertage bestmöglich nach euren eigenen Bedürfnissen. Achtet gut auf euch und schenkt eurer Seele Aufwind!

Alles Liebe 
eure Nora

  1. Quelle: https://magazin.dak.de/diese-weihnachten-brauchen-wir-einen-plan/ ↩︎

Über die Autorin

+ Beiträge

Nora Hille, Jahrgang 1975, verheiratet, zwei Kinder. Studium Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaften. 12 Jahre Arbeit im Bereich Kommunikation/PR. Aus gesundheitlichen Gründen verrentet. Im August 2023 ist ihr Mutmachbuch „Wenn Licht die Finsternis besiegt. Mit bipolarer Erkrankung Leben, Familie und Partnerschaft positiv gestalten.” bei Palomaa Publishing erschienen.
Als Betroffene und Erfahrungsexpertin schreibt Nora Hille Artikel zu den Themen mentale Gesundheit und psychische Erkrankungen. Außerdem verfasst sie literarische Essays, Gedichte (sehr gerne Haikus) und Kurzprosa. Beim FemalExperts Magazin erscheint regelmäßig ihre Mental Health-Kolumne. Ihre Kolumne „Noras Nachtgedanken“ veröffentlicht sie beim Online-Magazin viaMag – Das Magazin für eine neue Trauerkultur. Anti-Stigma-Arbeit liegt Nora Hille am Herzen: Sie engagiert sich als Mutmacherin bei Mutmachleute e.V. und setzt sich mit ihren Anti-Stigma-Texten gegen die Stigmatisierung (Ausgrenzung) psychisch kranker Menschen in unserer Gesellschaft für mehr Miteinander, Toleranz und Gleichberechtigung ein. Nora Hille ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (DGBS).

Auf Instagram zu finden unter: @norahille_autorin

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