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Take Back Your Time Day: Social Media ≠ Mental Health? Digital Detox im Selbstversuch
Dunkel Hell

Take Back Your Time Day: Social Media ≠ Mental Health? Digital Detox im Selbstversuch

Nora Hille
Social Media-Mental Health-Digital Detox im Selbstversuch-Artikelbild

Allein zu wissen, wie viel man konsumiert (Energiedrinks, Alkohol, Zigaretten, Drogen, Online-Spiele/Spielhallen oder Sportwetten, etc.) oder welchen Zeitfressern man seine Lebenszeit opfert (Überstunden, Binge-TV-Serien-Gucken, Social Media, Daddeln am PC), reicht nicht aus, um zu einem Mehr an mentaler Gesundheit zu kommen – das habe ich nun ganz klar erkannt. Selbst wenn man so wie ich jahrelang jeden Abend die eigene Nutzungsdauer am Handy überprüft und sie in den statistischen Kontext der letzten Woche oder der vergangenen 14 Tage einordnet… Genau erkennt, welche Apps die großen Zeitfresser sind. Denn Konfrontation ergibt noch lange keine Veränderung oder gar Wohlbefinden mit einer Situation.

Take Back Your Time Day

Der 24. Oktober ist der „Take Back Your Time Day“ (Hol-Dir-Deine-Zeit-zurück-Tag), der ganz im Zeichen der Lebenszeit steht. Dieser Aktionstag wurde im Jahr 2003 von dem US-amerikanischen Think-Tank Simplicity Forum, einer Gruppe von liberalen Akademiker*innen, Autor*innen, Erzieher*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen ins Leben gerufen und bezieht sich hauptsächlich darauf, dass Amerikaner statistisch gesehen deutlich mehr arbeiten als in vielen anderen europäischen Gesellschaften üblich.[1] Doch markiert dieser Tag zugleich für uns alle eine gute Gelegenheit, uns einmal selbst zu hinterfragen, wofür wir unsere Lebenszeit verwenden und bei welchen Aktivitäten wir sie auf eine für unsere Psyche ungesunde und gegebenenfalls maßlose Weise verbringen.

Beispiel: Meine exzessive Handynutzung

Mit meiner derzeitigen exzessiven Handynutzung stehe ich in unserer Gesellschaft nicht allein da. Doch sie geht zu Lasten meiner mentalen Gesundheit – wie bei vielen anderen Menschen ebenfalls. Grund genug, dem Thema eine Kolumne zu widmen und zugleich meine ganz persönliche Digital Detox-Kur[2] zu starten – auch wenn ich mein dafür notwendiges „Outing“ zunächst als schambesetzt empfinde.

Always on

Schnell einen Blick riskiert.
Was, kein neues Like?
Kein Herz?
Warum?

Scheiß (!)
Social Media.

Immer da,
aber wenn ich dich brauche,
gibst du mir nicht
(genau) das, was ich will.

Wofür nutze ich mein Smartphone?

Dabei kommt meine intensive Nutzung, die oft bei mehreren Stunden täglich liegt, nicht durch irgendein Daddeln zustande, denn Games spiele ich nicht. Auch kurze TikTok- oder YouTube-Videos zur Erheiterung schaue ich mir nicht an.

Bei mir ist das Handy zuallererst ein Arbeitsmittel, da ich selten den Laptop anschalte. Wenn ich beispielsweise die Rohversionen meiner Artikel diktiere und sie in meinem Notizen-Programm (wie gerade jetzt) direkt in Text umwandeln lasse, spare ich ca. 70 Prozent der Zeit im Vergleich zum Schreiben am Computer.

Auch nutze ich es:

  • für die Organisation meiner Termine und To-dos per Wecker und Kalenderfunktion
  • für Videotelefonate,
  • als Navi,
  • für Recherche
  • für die Teilnahme an Online-Kursen und Zoom-Meetings,
  • für Vernetzung in Facebook-Autor*innengruppen,
  • für zeitversetze Kommunikation,
  • um individuelle Kontakte zu pflegen,
  • zum Konsumieren von Facebook-Nachrichten
  • und Instagram und Facebook für Information und Vernetzung sowie für Aufbau und Pflege meines Accounts @norahille_autorin.

Und genau dieser letzte Punkt meiner Liste, nämlich meine intensive Instagram-Nutzung und vor allem die Pflege meines Accounts, machen mir gerade am meisten Stress…

Doch es muss ja
noch was kommen!
Etwas Wichtiges,
Existenzielles,
das ich nicht
verpassen darf.
NIEMALS.

App zur Kontrolle der Handy-Nutzungsdauer

Als mein Sohn zum Ende der Grundschulzeit sein erstes Smartphone bekam, installierte ich auf unseren beiden Geräten (hey, Gerechtigkeit lässt grüßen!) die kostenlose App StayFree, die wir bis heute nutzen. Mit ihr kann man am Ende des Tages oder zwischendurch die gesamte Handy-Nutzungszeit sehen und wie sich die Zeitanteile auf die einzelnen Apps verteilen. Auch die Statistik der letzten Woche oder 14 Tage ist abrufbar. Zusätzlich ist es möglich, eine Benachrichtigung einzustellen, wann die selbstdefinierte tägliche Nutzungsdauer abgelaufen ist.

Gleich, bestimmt,
ganz sicher.
Es kommt,
wird kommen.
Und so bleibe ich dran,
swipe weiter.

So unendlich viele Accounts,
doch immer wieder echte Perlen
zwischen all dem Geschwafel
und der hohlen, selbstoptimierten
Glitzerwelt der Influencer.
Digital-Detox-Screenshot-Handynutzung-StayFree
Die kostenlose App StayFree kann dazu genutzt werden, die eigene Handynutzung zu überprüfen und so den eigenen digitalen Konsum zu reflektieren.

Funktioniert die Selbstkontrolle?

Die Idee dahinter war, dass wir beide mit dieser App unser Handy-Nutzungsverhalten leicht selbst kontrollieren könnten, eben auf Vertrauensbasis. Bei ihm damals so ziemlich Pustekuchen. Mittlerweile ist er 14 und nutzt sein Handy sowieso schon lange in Eigenregie. Da muss ich nachfragen, wenn ich etwa alle acht bis zehn Wochen mal wieder die Statistik der letzten 14 Tage sehen möchte.

Aber auch bei mir, der ach so erwachsenen Handynutzerin: Pustekuchen… Zwar habe ich seitdem, also immerhin seit fünf Jahren, jeden(!) Abend vor dem Schlafengehen meine aktuellen Zahlen abgerufen, doch verändert hat dies mein Nutzungsverhalten nicht. Im Gegenteil, ich muss sagen: Es ist mittlerweile schon eine ganze Zeit lang MEHR als erschreckend. Und ich geniere mich tatsächlich, die Daten hier hinzuschreiben. Aber „watt mutt, datt mutt“, denn ohne Aufrichtigkeit kann kaum deutlich werden, warum Handlung bzw. Veränderung in meinem Fall so dringend nötig ist, wie mir in den letzten Tagen klar wurde.

„Unfrei!“,
schreit es in mir,
während ich
durch die News flippe,
es nicht
sein lassen kann.

Jetzt aber Tacheles: Her mit den Zahlen zur Nutzungsdauer!

Digital-Detox-Screenshot2-Handynutzung-StayFree

Entscheidet man sich für Digital Detox, also einen kompletten Verzicht oder eine deutlich reduzierte und bewusstere Nutzung elektronischer Geräte, so ist zuerst eine Analyse des Nutzungsverhaltens nötig. Wie praktisch, dass ich hierfür auf die schon erwähnte App zurückgreifen kann.

Innerhalb der letzten zwei Wochen sind bei mir 114 Stunden und 22 Minuten Handynutzung zusammengekommen – das sind gut acht Stunden pro Tag. So sieht die Statistik für meine Top-5-Apps für diesen Zeitraum aus:

  • 21 Stunden 42 Minuten Instagram
  • 12 Stunden 6 Minuten WhatsApp
  • 7 Stunden 42 Facebook
  • 5 Stunden 51 E-Mails
  • 5 Stunden 39 Google Maps

Fett hervorgehoben habe ich oben in der Aufstellung Instagram und Facebook, da ich Social Media – und eben allen voran Instagram – für mich als die relevanten Stressoren erkannt habe.

Ich spüre sie,
meine innere Unfreiheit.
Diese Unruhe
und Atemlosigkeit.
Mein Denken umkreist
die Droge.
Bin lost.
So was von lost.

Ohne Handy geht es nicht?

Sogar abends beim Fernsehen mit meinem Mann liegt das Smartphone hinter mir auf der Fensterbank. Immer mal wieder nehme ich es nervös zur Hand, um nachzuschlagen, wann ein Schauspieler gelebt hat, welche Altersfreigabe ein Film hat oder ob etwas in meinem Instagram-Account passiert ist. Auch surfe ich manchmal parallel zu den Fernsehnachrichten als Ablenkung, wenn mir diese mal wieder zu hart und damit zu belastend sind.

Ja, man fragt sich geradezu, wie es mir mit dieser intensiven Handynutzung von bisher rund 8 Stunden pro Tag überhaupt noch möglich gewesen sein soll, mich um meine beiden Kinder, den Mann und mich selbst zu kümmern, geschweige denn weiteren Verpflichtungen nachzukommen oder sogar Artikel zu schreiben?

Dass es bisher immer irgendwie geklappt hat, liegt wohl auch an meiner Nacht-Euligkeit. Ich gehe deutlich später als der Rest der Familie zu Bett, so dass ich dann häufig meine Zeit mit dem Smartphone verbracht habe und „Stunden sammelte“.

Weit fliegt mein Sehnen.
Aber ich bleibe doch
eine ergebene Sklavin
der Technik.
Zu lang schon
diene ich
unter der selbstgewählten Knute.
Bewege mich des Nachts
durch Social Media
wie ein Zombie.

Welchen Einfluss hat meine exzessive Smartphone-Nutzung auf meine mentale Gesundheit?

  • Tagsüber lasse ich mich durch das Smartphone häufig ablenken.
  • Meine Konzentrationsspanne hat sich deutlich verkürzt.
  • Ich schaue sogar zwischendurch nach, ob sich nicht etwas getan hat (innere Nervosität, vielleicht auch die Suche nach dem nächsten „Kick“ in Form eines Likes oder einer Nachricht?)
  • Quality Time (Buch lesen, Spazieren, Träumen) mit mir selber fällt zu häufig hinten über.
  • Durch meine exzessive Smartphone-Nutzung gerade spät nachts, wenn die Familie schon schläft, gehe ich häufig zu spät ins Bett.
  • Das ist natürlich kontraproduktiv zu meinen chronischen Einschlafstörungen.
  • Es fällt mir mitunter ungemein schwer, den Absprung zu finden und das Handy auszuschalten (für mich ein Signal, dass eine Sucht vorliegt oder ich kurz davor bin).

Selbsterkenntnis tut weh…

Wenn ich in Anwesenheit meiner Familie das Smartphone in die Hand nehme, wird es manchmal als unhöflich empfunden. Und es kommen auch täglich so viel mehr Smartphone-Stunden zusammen als ich an Quality Time zusammen mit meiner Familie erlebe. Gerade dieser Punkt schmerzt, wo ich ihn jetzt erkenne…

Oh, du mein Smartphone
wie oft ich dir huldige.
Du machst mich zum Cyborg.
Denn in meiner Hand
verlängerst du
meinen Körper.
Wirst Teil meines ICHS.

Bin ich Handy- oder Social Media-süchtig?

Und genau gestern Abend im Bett dachte ich über meine Mal wieder sehr intensive Social Media-Nutzung nach, die mich nämlich knapp eine Stunde vom Zu-Bett-Gehen abgehalten hatte, und fragte mich:

  • Wie sinnvoll ist das?
  • Tue ich damit meiner Seele etwas Gutes
  • oder schade ich ihr womöglich?

Denn immer, wenn ich am Handy bin, bin ich nicht bei mir, nicht bei den im selben Raum anwesenden Menschen, die ich doch liebe, verliere mich selbst regelrecht aus den Augen…

Bin ich etwa süchtig? Oder kurz davor?

Deswegen jetzt einmal ganz klar gesagt:

ICH. BIN. ZU. VIEl. UND. ZU. OFT. ON. – VIEL. ZU. VIEL!

Vor allem bei Insta.

Und vermutlich bin ich sogar Social Media-süchtig… oder zumindest fast…

Jetzt ist es raus!

Definition Social Media-Sucht

Laut Jugendpsychiater Rainer Thomasius[3] müssen die folgenden drei Kriterien erfüllt sein, wenn man von einer ausgeprägten Social Media-Sucht sprechen will:

  1. „Es kommt zum Kontrollverlust über die tatsächliche Nutzungsdauer. Die Betroffenen haben einen sehr starken Drang, sich ständig in den sozialen Medien zu bewegen.“ Ähem, ja… kommt mir bekannt vor…
  2. „Andere Tätigkeiten, ob in der Freizeit, im Beruf oder bei Jugendlichen in der Schule, werden sehr stark vernachlässigt.“ Trifft teilweise zu…
  3. „Es kommt zu einer zunehmenden Priorisierung gegenüber anderen Lebensinhalten – die sozialen Netzwerke werden immer wichtiger.“ Auch diese Tendenz beobachte ich an mir…
Bin dir verfallen,
bis heute...
Viel zu oft
mit dir
in der virtuellen Welt.
Viel zu oft
dieses
„Always on.“

Ich muss was ändern und zwar dringend!

Gestern Abend im Bett war es dann soweit:

Ich erkenne, dass meine Social Media-Nutzung, vor allen Dingen bei Instagram, ausufert, mich stresst, so dass ich mich getrieben und unwohl fühle. Dann googele ich, dass Social Media-Sucht zu Depressionen führen kann – eine ebensolche Phase hat bei mir im Rahmen meiner bipolaren Erkrankung vor etwa drei Wochen begonnen. Womöglich wird sie durch meine exzessive Handynutzung verstärkt?

So gelange ich zu dem Erkenntnis: Ich will nicht durch ein elektronisches Gerät in diesem hohen Maß fremdbestimmt sein. Mit meiner intensiven Handynutzung, allen voran Instagram, schade ich ganz klar meinem Wohlbefinden, meiner inneren Balance und damit meiner mentalen Gesundheit.

Start meiner Digital Detox-Kur

Und ich treffe – Trommelwirbel(!) – direkt abends im Bett die Entscheidung für Handy- und Social Media-Detox, was bei mir individuell so aussehen wird:

  • Per Wellnessfunktion definiere ich die täglich maximale Nutzungsdauer für mein Handy auf 4:30h – für mich schon eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu rund 8 h.
  • Für Instagram legte ich innerhalb dieser 4:30h eine Maximaldauer von 45 Minuten fest, danach ist die App für den Rest des Tages inaktiv.
  • Außerdem habe ich über die Wellnessfunktion bei meinem Handy eine Schlafenszeit von 20 Uhr abends bis 10 Uhr morgens eingestellt. Da sieht der Bildschirm dann sehr grau und müde aus, was mir zeigt, dass ich es eigentlich gar nicht benutzen will/sollte.
  • Und da ich mein Handy bislang oben neben dem Fernseher und später als Wecker im Schlafzimmer hatte, möchte ich auch hier eine Veränderung einführen: Ab sofort schläft das Handy ab 20 h unten mit eingestelltem Flugzeug-Modus in der Küche und ich nutze wieder einen Wecker zum Aufstehen.
  • Sämtliche Push-Benachrichtigungen mit Ausnahme von WhatsApp sind abgestellt.
  • Beim Spaziergang, Kino oder Restaurantbesuch bleibt das Handy zu Hause.
Doch es geht
auch ohne Dich.
Weil ich es will.
Mich frei träume.
Dich loslasse.
Meine Augen
vom Bildschirm
abwende.

Schaffe ich das?

Social-Detox-Screenshot-Instagram
Bild: Marie Ludwig, auf Instagram zu finden als @freie_poetin

Mal schauen, was diese Veränderungen bringen… Ein bisschen aufgeregt bin ich schon, denn die Linie zwischen lieb gewonnener Gewohnheit und echter Sucht ist sehr schmal. Kann ich wirklich so konsequent sein und mit 45 Minuten Insta am Tag auskommen? Und wie werde ich mit der reduzierten Handy-Nutzungszeit und vor allem meinem Social Media Detox überhaupt klarkommen?

Entzugserscheinungen bei Social Media-Sucht?

Und worauf ich schon sehr gespannt bin: Social Media-Sucht ist letztendlich doch eine Sucht wie jede andere. Wenn ich jetzt mein Handy-Nutzungsverhalten so stark herunterfahre, werde ich dann Entzugserscheinungen haben? Und wenn ja, welche?

Oder habe ich einfach plötzlich viel mehr Zeit für meine Familie, für mich selbst, fürs Schreiben, zum Malen, zum Plausch mit Freundinnen und fürs Bücher lesen?

Siehe auch
Tag der Familie Ein Hoch auf die Wahlfamilie, die unserer mentalen Gesundheit einfach gut tut-Artikelbild

Mein Blick gleitet
tastend ins Außen.
In die Wunder
der herbstlichen Natur.

Studie Entzugserscheinungen bei Social Media-Sucht

Im Jahr 2018 fand eine Studie zum Thema „Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking“[4] statt, bei der 152 Personen zwischen 18 und 80 Jahren (davon übrigens 70% Frauen) zu ihrem Social Media-Konsum und möglichen Suchtverhalten eine Woche lang untersucht wurden. Häufig reichte dieser siebentägige komplette Ausschluss von Social-Media-Plattformen wie Facebook oder WhatsApp, um Entzugserscheinungen, ganz ähnlich wie sie bei Drogenabhängigen zu beobachten sind, auszulösen:

  • Deutlich erhöhtes Verlangen nach der Droge,
  • Langeweile,
  • Einfluss auf die Stimmung.

90 der 152 Studienteilnehmer wurden übrigens innerhalb der Woche rückfällig. Dazu heißt es in dem Artikel über die Studie: „Obwohl dies nur selten (im Durchschnitt weniger als zweimal) und für kurze Zeit (durchschnittlich drei Minuten) der Fall war, haben fast 60 Prozent der Probanden während des Entzugs ,betrogen’ und waren rückfällig geworden.“[5]

Wie will ich mein Handy und Instagram künftig nutzen?

Kann ich durch meine Digital Detox-Kur meinen persönlichen Stress bezogen auf mein Instagram-Account auflösen? Zu der Erkenntnis gelangen, dass ein Hin- und Wieder-Posten nach Lust und Laune einfach Spaß machen und sich frei von Verpflichtung anfühlen darf? Dass ich nicht all das machen muss, was in Sichtbarkeits-Challenges gefordert wird bis hin zum täglichen 15-Sekunden-Video? Dass es mir gelingt, die Fixierung auf Follower-Wachstum auszublenden?

Gerade dieser letzte Gedanke wird ganz wundervoll unterstützt durch ein Zitat von Chefredakteurin Kinga Bartczak in ihrem Artikel über Social Media Fatigue:

Heterogenität und Besonderheit entstehen nicht durch das Sammeln von Likes. Konzentriere dich nicht auf die 99 Prozent, die dich nicht kennen, sondern auf den einen Prozentpunkt, der dir etwas bedeutet.[6]

Kinga Bartczak

Durch Digital Detox an Mental Health gewinnen

Autorin und Coach Alia Cardyn benennt in ihrem Übungsheft „Digital Detox – einfach öfter mal abschalten“[7] als positive Auswirkungen eines ausgewogenen Umgangs mit digitalen Geräten Folgendes:

  • Mehr Zeit,
  • einen entspannteren Alltag,
  • ein leistungsfähigeres Gehirn,
  • mehr Produktivität durch mehr unterbrechungsfreie Zeit,
  • besseren Schlaf,
  • zunehmende Effizienz und mehr Wohlbefinden, da eines nach dem anderen getan wird,
  • bessere Selbstwahrnehmung,
  • dem Leben gegenüber präsenter sein.

Fazit

Bislang funktioniert mein Digital Detox seit einem Monat recht gut, ich komme in der Regel mit den 4:30h maximale Handynutzung pro Tag aus, selten werden es 5h. Und so scheint mein Wunsch Wirklichkeit zu werden: Ich bin dabei, für mich einen besseren, gesünderen Umgang mit Social Media zu finden. Die Wellnessfunktion meines Handys empfinde ich nach meinem Detox-Experiment jedenfalls als eine dauerhafte Hilfe. Ich hoffe, dass mir die festgelegte maximale Handy-Nutzungsdauer und vor allem die tägliche Insta-Reduzierung auf maximal 45 Minuten helfen, nicht in mein altes süchtiges beziehungsweise suchtähnliches Verhalten zurückzufallen.

Auch hierzu äußerte sich Bartczak in ihrem Artikel: „Ich werde nicht müde, diesen Tipp immer weiterzugeben – blocke dir feste Social Media Slots. Diese können individuell angepasst werden, sollten jedoch einen bestimmten Zeitrahmen (zum Beispiel eine Stunde) nicht überschreiten (es sei denn, du bist Influencer*in). Wir verlieren uns so schnell in dieser unendlichen Glitzerwelt, doch die verlorene Zeit, in welcher wir in Bewunderung für andere schwelgen und uns nach einem ,besseren‘ Leben sehnen, wird uns nie wieder zurückgegeben.“[8]

Ich rieche die feuchte Erde,
den leicht modrigen Duft zusammengefegter Laubhaufen.
Spüre sanft
die Oktobersonne
auf meiner Haut.
Und weit
fliegt die Sehnsucht.

[1] Giese, Sven: Take Back Your Time Day – Hol-Dir-Deine-Zeit-zurück-Tag in den USA. Kuriose Feiertage. 2015. Quelle: https://www.kuriose-feiertage.de/hol-dir-deine-zeit-zurueck-tag/ (Zugriff: 24.10.2023)

[2] Diese fand im Oktober-Dezember 2022 statt, wo ich den Text für diese Kolumne als Rohfassung entwarf. Die Wellnesseinstellungen meines Smartphones nutze ich seitdem dauerhaft, auch die Möglichkeit, maximale Zeitdauer pro App und Tag zu definieren.

[3] RTL News vom 6. Februar 2020 um 12:07 Uhr. „Erste Anzeichen und was Sie dagegen tun können. Woran erkenne ich, ob ich süchtig nach Social Media bin?“ Verfügbar unter: https://www.rtl.de/cms/woran-erkenne-ich-ob-ich-suechtig-nach-social-media-bin-4482399.html (Zugriff: 24.10.2023).

[4] Stieger, Stefan und Lewetz, David: „A Week Without Using Social Media: Results from an Ecological Momentary Intervention Study Using Smartphones.“ In: Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, Vol. 21, No. 10 (16.10.2018). Online verfügbar unter:  (Zugriff: 24.10.2023).

[5] In einem Artikel über die Studie heißt es:  „Selbst eine kurze Abstinenz von Social Media verursacht Entzugserscheinungen“. Online veröffentlicht in Psylex – Aktuelle Nachrichten aus der Psychologie, 14. November 2018. © PSYLEX.de – Quellenangabe: Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking (2018). DOI: 10.1089/cyber.2018.0070. Online verfügbar unter: https://psylex.de/sucht/internet/social-media-entzug/ (Zugriff: 24.10.2023).

[6] Bartczak, Kinga: „Das Leben als Accessoire – Wie entkommen wir der Social Media Fatigue?“ Veröffentlicht bei femalExperts am 22. März 2022. Online verfügbar unter: https://femalexperts.com/wie-entkommen-wir-der-social-media-fatigue/ (Zugriff: 24.10.2023).

[7] Cardyn, Alia: „Das kleine Übungsheft. Digital Detox – einfach öfter mal abschalten“. München, 2016.

[8] Ebd.


Über die Autorin

+ Beiträge

Nora Hille, Jahrgang 1975, verheiratet, zwei Kinder. Studium Geschichte, Literatur- und Medienwissenschaften. 12 Jahre Arbeit im Bereich Kommunikation/PR. Aus gesundheitlichen Gründen verrentet. Im August 2023 ist ihr Mutmachbuch „Wenn Licht die Finsternis besiegt. Mit bipolarer Erkrankung Leben, Familie und Partnerschaft positiv gestalten.” bei Palomaa Publishing erschienen.
Als Betroffene und Erfahrungsexpertin schreibt Nora Hille Artikel zu den Themen mentale Gesundheit und psychische Erkrankungen. Außerdem verfasst sie literarische Essays, Gedichte (sehr gerne Haikus) und Kurzprosa. Beim FemalExperts Magazin erscheint regelmäßig ihre Mental Health-Kolumne. Ihre Kolumne „Noras Nachtgedanken“ veröffentlicht sie beim Online-Magazin viaMag – Das Magazin für eine neue Trauerkultur. Anti-Stigma-Arbeit liegt Nora Hille am Herzen: Sie engagiert sich als Mutmacherin bei Mutmachleute e.V. und setzt sich mit ihren Anti-Stigma-Texten gegen die Stigmatisierung (Ausgrenzung) psychisch kranker Menschen in unserer Gesellschaft für mehr Miteinander, Toleranz und Gleichberechtigung ein. Nora Hille ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (DGBS).

Auf Instagram zu finden unter: @norahille_autorin

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