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Fashion trifft auf Female Empowerment – Christina Stahl, Co-Founderin von AMELI ZURICH im Interview
Dunkel Hell

Fashion trifft auf Female Empowerment – Christina Stahl, Co-Founderin von AMELI ZURICH im Interview

Kinga Bartczak
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Ich freue mich, im heutigen Female Role Model Interview Christina Stahl, Co-Founderin von AMELI ZURICH begrüßen zu dürfen. Wir starten auch gleich mit der ersten Frage.

1. Magst du uns einen kleinen Einblick in deine Lebensbiografie geben? Wer ist Christina Stahl und wie wurde sie von der erfolgreichen Beraterin zur Gründerin eines innovativen Taschenlabels?

Danke für die Möglichkeit des Interviews – es freut mich riesig. Was jetzt im Nachhinein wie ein roter Faden aussieht, war vor allem immer getrieben durch mein Interesse an Mode, dem Drang, Neues zu lernen, sowie sehr analytisch zu sein. Ich habe vor meiner Zeit in der Beratung Fashion Management studiert und auch meine Praktika sowohl in der Beratung als auch in der Modebranche gemacht. Als Beraterin hatte ich das typische “Beraterleben”, wie man sich das auch vorstellt: Montags ins Flugzeug, dann schnell ins Hotel und anschließend bis Donnerstag beim Kunden. Dabei hat es mich immer extrem genervt, dass es keine vernünftigen Laptoptaschen für Frauen gab. Die klobigen Unisex Laptoptaschen kamen für mich auch nicht wirklich in Frage. 2019 habe ich ein Stipendium für meine Doktorarbeit erhalten und in Würzburg mein PhD zum Thema Big Data Analytics in Fashion Supply Chains begonnen. Während einer Schreibblockade hat mein Freund zu mir gesagt: “Lass doch einfach deine Idee mit den Handtaschen umsetzen und schauen, was daraus wird”. Meine Eltern sind selbständig und das wollte ich nie für mich, aber es hat dann einfach immer mehr Fahrt aufgenommen. Mit AMELI habe ich die Möglichkeit, meinen Interessen nachzugehen und das ist ein riesiger Antrieb für mich, jeden Tag mein Bestes zu geben.

2. Ich finde es fantastisch, dass ihr mit eurem Label das Thema Female Empowerment erlebbar macht, denn „Break the bias“ ist nicht nur auf euren Taschen abgedruckt, ihr habt selbst auch die Interviewreihe “Strong Voices” ins Leben gerufen und engagiert euch im Hinblick auf die Bildungsarbeit für Mädchen. Magst du uns hier einen Einblick geben, was Female Empowerment für dich persönlich bedeutet und wie hieraus die genannten Projekte entstanden sind?

Die Beratung ist ein extrem männerdominiertes Feld und ich hatte nur wenige weibliche Vorbilder. Mich hat das Buch von Melinda Gates “The power of lift” stark bewegt und ich bin mir sicher, dass wir Frauen mit gegenseitiger Unterstützung so viel mehr erreichen können. Mit unserer Reihe “Strong Voices” wollen wir die Erfahrungen von Role Models sichtbar machen und andere Frauen inspirieren. Mit unseren Spenden für NGOs, die Frauen unterstützen, möchten wir mehr Frauen die Möglichkeiten geben, unabhängig von ihrer Herkunft und des Geschlechts gleiche Chancen zu erhalten. Mich motiviert es extrem, wenn wir mit dem, was wir tun, einen Mehrwert leisten können, der über Handtaschen hinausgeht.

3. Wo siehst du im Hinblick auf „Female Empowerment“ noch Handlungsbedarf und wo eröffnen sich hier vielleicht auch Chancen für jede Einzelne von uns?

Ich bin ehrlicherweise in einer ziemlichen Bubble, was Frauen Empowerment angeht. In meinem Umfeld gibt es fast nur unterstützende, inspirierende Frauen und auch den Gender Pay Gap kenne ich eher aus Statistiken. Für mich ist es dennoch wichtig, dass jede einzelne von uns ein Mindset hat, dass der eigene Erfolg nicht kleiner wird, nur weil man anderen Frauen hilft. Jeder kann mit kleinen Aktionen wie einem Kompliment, einem Mentoring, einer Empfehlung das Leben von anderen Frauen positiv beeinflussen.

4. Eure Taschen werden in einem kleinen Familienbetrieb in Varese, Italien, handgefertigt. Wieso fiel die Wahl ausgerechnet auf Italien?

Wir haben tatsächlich damals in unterschiedlichen Ländern Prototypen angefragt und die Qualität in Italien war am besten. Abgesehen davon ist uns eine enge Zusammenarbeit und faire Arbeitsbedingungen sowie Transparenz in der Supply Chain extrem wichtig. Unser Produzent ist von Zürich nur 3 Stunden entfernt und dadurch können wir 5-6x im Jahr nach Italien fahren und vor Ort mit unserem Produzenten zusammen die Produktentwicklung und Qualität besprechen.

5. Uns im Magazin bewegt natürlich auch das Thema Nachhaltigkeit sehr. Die Modeindustrie ist jedoch leider nicht gerade die Vorzeigebranche, wenn es um dieses Thema geht. Vielmehr erkennen wir in den letzten Jahren zunehmende Intransparenz, Greenwashing in der Werbung, illegale Sweatshops oder Offshore-Beschaffung. Wie wollt ihr mit AMELI dieser Bewegung positiv entgegentreten?

Foto: Christina Stahl, Co-Founderin von AMELI ZURICH

Ich kann dir bei den Problematiken extrem zustimmen und wir waren leider sogar mit diesen Themen in der Realität konfrontiert. Unser erster Prototyp wurde in Italien von einem anderen Produzenten hergestellt und als wir ihn besucht haben (auf der Website: “kleiner italienischer Familienbetrieb”) wurde uns gesagt, dass nur die Prototypen von ihnen hergestellt werden und alles andere an chinesische Submanufacturer in Italien ausgelagert werden würde. Diese Produktion dürften wir nicht anschauen.

Den Begriff Nachhaltigkeit finde ich auch in der aktuellen Situation schwierig, weil es so viele Interpretationen des Begriffs gibt. Wir versuchen uns auf die folgenden Schwerpunkte bei AMELI zu fokussieren:

  • Transparenz: Wir kennen jeden einzelnen Lieferanten unserer Materialien. Alle unsere Materialien werden sorgfältig ausgesucht und aus Italien bezogen. Unser Leder ist von der Leather Working Group zertifiziert und auch bei unserer Preisgestaltung sind wir sehr transparent.
  • Integrität: Wir vermeiden Abfälle soweit möglich, indem wir Lederreste für kleine Accessoires nutzen, keine Produkte zerstören und nur in kleinen Mengen bestellen. Außerdem sind uns faire Arbeitsbedingungen extrem wichtig.
  • Langlebigkeit der Produkte: Für mich ist dies der größte Hebel zu einer nachhaltigeren Welt – und zwar wenn wir eine neue Tasche alle 5-10 Jahre brauchen, anstatt mehrere in einem Jahr. Deswegen achten wir sehr auf hohe Qualität und zeitloses Design. Zudem veranstalten wir keine Sales und verbessern unsere bestehenden Produkte kontinuierlich.

6. Was können Labels deiner Meinung nach hier besser machen und woran erkennen Kunden/Kundinnen eine hochwertige und nachhaltige Marke?

Schwierig. Für mich zählt hier einfach die Frage: Kann ich die Produkte, die ich verkaufe, inkl. den Marketingmaßnahmen und meiner Kommunikation mit einem guten Gewissen verkaufen? Ich hasse es, wenn ich Slogans lese wie “Italienisches Leder”, um dann beim Country of Origin ein “Made in Bangladesh” zu entdecken. Solche Slogans sind einfach extrem irreführend. Als Konsument finde ich es super super schwierig, in dem Wald an Labels und unvollständigen Informationen eine richtige Entscheidung zu treffen. Mein Guiding Principle ist:

Buy Less, Choose Well, Make it Last.

7. Vielleicht liebäugelt auch die ein oder andere Leserin unserer Community mit der Idee, selbst zu gründen: Was war in der Retrospektive die härteste Lektion, die du als Gründerin lernen musstest?

Dass es nicht weniger wird und nie (gut) genug sein wird. Man kann immer mehr machen und vor allem als Perfektionist und ungeduldiger Mensch, der durch die Beratung viele Arbeitsstunden gewöhnt ist, musste ich wirklich lernen, wie wichtig zwischendurch Pausen sind und mal nein zu sagen. Es ist ein Marathon, kein Sprint.

8. Gibt es einen konkreten Tipp, den du gerne mit jungen (angehenden) Gründerinnen teilen möchtest?

Stop dreaming, start doing. Ich glaube, es muss nie Schwarz/Weiß sein, man muss nicht seinen Job kündigen und all in gehen, sondern kann auch mit kleinen Schritten anfangen und schauen, wie es sich entwickelt. Wichtig ist einfach, dass man anfängt und tatsächlich macht.

9. Auch ich habe meine beiden Unternehmen gemeinsam mit meinem Partner gegründet und bin natürlich sehr neugierig, wie sich das bei euch entwickelt hat und wie sich die Zusammenarbeit bei euch gestaltet. Würdest du sagen, es ist ein Mehrwert, zu zweit im Business unterwegs zu sein?

Ich bin unfassbar dankbar, dass mein Mann mein Co-Founder ist, vor allem, weil wir sehr komplementäre Arbeitsstile und Fähigkeiten haben. Während ich einfach drauf los presche und dadurch Geschwindigkeit reinbringe, ist er derjenige, der sich noch mal das Kleingedruckte durchliest.

Siehe auch
Ein Interview mit Jen Martens-Gründerin von ŌMAKA-Artikelbild

10. Okay, Hand aufs Herz: Wer von euch ist Ideengeber*in und wer verdreht regelmäßig die Augen?

Ich bin bei uns für das Design und die Kommunikation zuständig, daher bin es definitiv ich, mit den verrückten Ideen und Charly der (zurecht) kritische Hinterfrager.

11. Ihr seid mittlerweile über 10 Personen im Unternehmen. Hat dich das Thema Female Leadership hier nochmals in besonderer Weise herausgefordert?

Nach wie vor ist das Thema Leadership eine der größten Herausforderungen für mich. Wie eng müssen meine Mitarbeiterinnen geführt werden? Wie motiviere und fördere ich am besten? Wie gebe ich vernünftig Feedback und fordere Leistung ein? Ich mache viele Fehler, lerne noch mehr und versuche einfach transparent mit meinen Unsicherheiten umzugehen und auch von dem Feedback meiner Mitarbeiterinnen zu lernen.

12. Vor kurzem hast du auf LinkedIn die Kooperation zwischen AMELI und Annahita Esmailzadeh öffentlich gemacht. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Ich hatte schon immer einen riesigen Respekt vor Annahita und habe sie aus der Ferne bewundert. Irgendwann meinte eine gemeinsame Bekannte, ich solle ihr einfach schreiben… Und Annahita hat geantwortet, wir haben telefoniert und waren sofort Feuer und Flamme. Es sollte wohl einfach so sein, es war eine wunderbare Zusammenarbeit.

13. Gerne nehme ich auch eine Wunschfrage unserer FemalExperts-Community auf: Der Hauptstoff eurer Taschen besteht bisher aus verschiedenen Arten von Leder. Ich weiß, dass ihr hier kurzzeitig eine vegane Alternative auf dem Markt hattet, die jedoch von der Kundschaft wohl nicht so angenommen wurde. Wird es künftig nochmals eine vegane Handtasche geben, für all jene, die sich bereits in euer Design schockverliebt haben?

Wir evaluieren kontinuierlich bestehende, vegane Lederoptionen. Aktuell haben wir noch kein Material wieder gefunden, was unseren Erwartungen an Langlebigkeit und Haptik gerecht wird, aber ich würde es langfristig auf keinen Fall ausschließen.

14. Abschließend freue ich mich, wenn du unserer Community einen kleinen Ausblick geben magst: Wohin wird es für AMELI ZURICH im Ganzen, aber auch mit dir liebe Christina im Besonderen, in den nächsten Jahren weitergehen? Worauf dürfen wir uns jetzt schon freuen?

Wir haben natürlich unsere Wachstumsziele und neue Modelle sind in der Pipeline – auch wollen wir irgendwann genau so viele AMELIs wie RIMOWAs auf Flughäfen entdecken, aber abgesehen davon möchte ich an unseren Prozessen arbeiten, mehr Stabilität reinbringen und auch wenn es unrealistisch sein mag, ein bisschen weniger das Gefühl haben, auf einer Achterbahnfahrt in Dauerschleife zu stecken.

Über die Autorin

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Kinga Bartczak berät, coacht und schreibt zu Female Empowerment, neuer Arbeitskultur, Organisationsentwicklung systemischen Coaching und Personal Branding.

Zudem ist sie Geschäftsführerin der UnternehmerRebellen GmbH und Herausgeberin des FemalExperts Magazins.

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