Kristina Lunz ist keine unbekannte Persönlichkeit im Bereich der feministischen Außenpolitik. Die Politikwissenschaftlerin, Aktivistin und Gründerin des „Centre for Feminist Foreign Policy” vereint die großen Themen der politischen Bühne und fokussiert sich hierbei insbesondere auf die internationale Außenpolitik, welche für sie unabdingbar mit dem Feminismus verbunden ist.
Wir konnten bereits vor Veröffentlichung einen exklusiven Blick in ihr erstes Buch „Die Zukunft der Aussenpolitik ist feministisch. Wie globale Krisen gelöst werden müssen.“ werfen, welches am 24. Februar 2022 im Econ Verlag erscheint. Hier schreibt sie über die Sichtbarmachung von Frauen weltweit auf allen (außen-)politischen sowie diplomatischen Bühnen, präsentiert interessante Beispiele aus ihrer eigenen politischen Arbeit und führt den Lesenden auf spannende Art und Weise deutlich vor Augen, warum eine feministisch ausgerichtete Außenpolitik längst überfällig erscheint und endlich Umsetzung finden sollte.
Dabei stellt sie in ihrem Buch klar: „Feministische Außenpolitik betrifft alle Bereiche der Diplomatie, der Außen- und Sicherheitspolitik. Sie bietet eine neue Perspektive, da offensichtlich ist, dass wir nicht mit »Business as usual« fortfahren können. Neben den bereits dargestellten Konzepten basiert sie auf Menschenrechten, ist geprägt von Zivilgesellschaft; sie ist transparent, antimilitaristisch und auf Klimagerechtigkeit und Kooperation statt Herrschaft über andere ausgerichtet (Lunz 2022, S.53f.).“
Die FemalExperts-Redaktion hatte in diesem Kontext nicht nur die Möglichkeit, sich dieser besonders inhaltsschweren und hochbrisanten Thematik inhaltlich zu widmen, sondern auch Kristina selbst einige exklusive Fragen zum Buch zu stellen. So möchten wir euch vorab bereits einen kleinen Eindruck verschaffen.
Liebe Kristina,
vielen Dank für deine Bereitschaft zu unserem Kurzinterview. Wir wollen direkt wieder in deine spannende Lektüre hineintauchen, denn wir konnten sie gar nicht mehr aus den Händen legen.
1. Du gehst in Kapitel 3 („DIPLOMATIE: IT’S A MAN’S WORLD“) intensiv auf das Thema „Frauen und Diplomatie“ ein. Kannst du unseren Leser*innen einen kurzen Einblick geben, inwiefern die diplomatische Bühne Frauen zur Verfügung steht?
In einer gleichberechtigten Gesellschaft sollten alle Menschen gleichberechtigten Zugang zu Außenpolitik und Diplomatie haben. Auf diesen Bühnen werden die großen Herausforderungen unserer Zeit besprochen, ob die Pandemie, die Klimakatastrophe, Angriffe auf das Menschenrechtssystem oder zunehmende Aufrüstung. All die großen Themen können nicht nationalstaatlich gelöst werden, sondern müssen international und diplomatisch gelöst werden. Das Problem ist aber, dass Frauen historisch schlichtweg aus der Diplomatie ausgeschlossen wurden. In Deutschland können sie seit 1949 Diplomatinnen werden und erst seit den 80er Jahren gibt es diplomatische Lehrgänge und eine Diplomatinnenausbildung. So verwundert es nicht, dass erst seit letztem Jahr eine deutsche Außenministerin im Amt ist. Das ist krass und so geht es nicht.
Weltweit sind nur ca. 10% aller Staatsoberhäupter sowie Staats- und Regierungschef*innen weiblich und zwischen 20 und 25% aller Botschafter*innen weltweit sind Frauen. Das führt dazu, dass die Lebensrealitäten von Frauen in diplomatische Entscheidungen entsprechend keinen Einfluss finden. Das führt unter anderem dazu, dass in den 1990 Jahren sexualisierte Gewalt in Konflikten, wie die Vergewaltigung als Kriegswaffe erst durch das Völkerrecht angegangen wurde, obwohl es sexualisierte Gewalt in Konflikten und Vergewaltigung als Kriegswaffe schon so lange existieren, wie es Konflikte selbst gibt. Inzwischen haben Frauen ein bisschen mehr Zugang zur Diplomatie, aber sie sind bei weitem nicht gleichberechtigt und das muss sich ändern.
2. Unsere Redaktion fand deine sprachliche Ausdrucksweise (z.B. „Alte weisse Männer“, Kapitel 4) erfrischend sowie sehr kritisch. Du bist offen, transparent sowie direkt und sprichst nicht nur davon das Gespräch zu suchen, sondern verwendest auch Worte wie: „Es sollte klar geworden sein, dass die Feministische Außenpolitik und ihre Aktivist:innen nicht dafür kämpfen, einfach nur einen Platz am Tisch zu erhalten. Es geht vielmehr darum, den alten zu zerstören und einen komplett neuen Tisch zu bauen (Lunz 2022, S.53.)”. Inwieweit ist es wichtig, im Hinblick auf feministische Außenpolitik, auch mal Klartext zu sprechen?
Es ist immer wichtig, Klartext zu sprechen. Vor allem wenn es darum geht, Ungerechtigkeiten und Unterdrückungsmechanismen abzubauen. Für ein Kind, welches heute in unsere Welt und unsere Gesellschaft hineingeboren wird, ist es wahrscheinlicher, einen Nuklearangriff zu erleben, als keinen. Es ist wahrscheinlicher, dass es eine Welt erlebt, in welcher in wenigen Jahrzehnten ein Großteil der Fläche nicht mehr bewohnbar sein wird, in der die Angriffe aufs Menschenrechtssystem eklatant sind und in der viele Menschen, beispielsweise durch Pandemien, in die Armut abrutschen. Wir haben keine Zeit für seichte oder beschwichtigende Sprache.
Die Dringlichkeit bei all diesen Themen ist extrem. Entsprechend müssen wir auf den Punkt kommen und haben keine Zeit für Business as usual. Das haben wir schon seit sehr vielen Jahren und Jahrzehnten nicht mehr und das muss auch in der Sprache ankommen. Aktivist*innen werden oft konträr zu Diplomat*innen wahrgenommen. Diplomat*innen seien diejenigen, die Kompromisse finden und versuchen alle in ein Boot zu holen. Aktivist*innen hingegen seien die, die ohne Rücksicht auf Verluste reinpreschen. Das glaube ich nicht. Ich glaube Aktivismus und Diplomatie passen großartig zusammen, weil die Diplomatie und die internationale Politik sich ändern müssen. Wir müssen endlich durch diplomatische Mittel dazu beitragen, dass Katastrophen, wie die Klimakatastrophe, Pandemien und Ungerechtigkeiten abgebaut werden.
3. Du lehnst die Strukturen des Patriarchats und alle damit einhergehenden Risikofaktoren, wie Militarisierung, Krieg oder Ignoranz im Hinblick auf den Klimawandel ab. Kannst du unseren Leserinnen einen Tipp geben, wie sie sich persönlich dafür einsetzen können, um diese Strukturen ebenfalls zu erkennen und sich diesen gegenüber souverän zu behaupten?
Wir können alle dazu beitragen, die Welt und die internationale Politik weniger gewaltvoll zu machen, indem wir die Binarität aufbrechen, d.h. die gesellschaftliche Denkweise und das Narrativ, dass Aufrüstung, Dominanz, Muskelspiele und Drohungen, wie wir das jetzt auch in der Ukraine-Krise sehen, als mächtig, stark, richtig und positiv angesehen werden, wohingegen Abrüstung, Mediation sowie Dialog als „weiblich“ und schwach tituliert werden.
Wir können uns dagegen aussprechen und uns auch im Alltag widersetzen, wenn mit Gewalt und Verrohung gedroht wird. Wir dürfen nicht akzeptieren, dass so etwas in unserer Gesellschaft als normal gilt, denn das ist es nicht. Es ist nicht normal, dass unsere Gesellschaft so gewaltvoll ist. Es ist nicht normal, dass jeden Tag ein Mann versucht, eine Frau zu töten und ihm dies jeden dritten Tag auch gelingt. Es ist weiterhin nicht normal, dass jeden dritten Tag eine Frau von männlicher Gewalt betroffen ist. Diese Faktoren, wozu auch das große Ausmaß an rassistischer Gewalt oder Gewalt gegen die LGBQTA-Community gehören, sind keine Naturgesetze. Die Gesellschaft ist nicht gebrochen oder kaputt, sondern sie wurde absichtlich so gebaut und wir können dazu beitragen, das zu ändern, indem wir diese Gewaltstrukturen nicht akzeptieren.
Liebe Kristina,
vielen Dank! Wir freuen uns, dich nach deiner Buchveröffentlichung nochmals in unserem Onlinemagazin begrüßen zu dürfen und mehr über dein außerordentliches Engagement zu erfahren.
Für deine Buchveröffentlichung wünschen wir dir alles erdenklich Gute und werden nun selbst nochmals einen Blick in dein Buch hineinwerfen.
Über die Autorin
Kinga Bartczak berät, coacht und schreibt zu Female Empowerment, neuer Arbeitskultur, Organisationsentwicklung systemischen Coaching und Personal Branding.
Zudem ist sie Geschäftsführerin der UnternehmerRebellen GmbH und Herausgeberin des FemalExperts Magazins.
- 3. Dezember 2024