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Jeannine Koch – Multiplikatorin und Impulsgeberin der Medien-, Kreativ- und Digitalwirtschaft
Dunkel Hell

Jeannine Koch – Multiplikatorin und Impulsgeberin der Medien-, Kreativ- und Digitalwirtschaft

Kinga Bartczak
Jeannine Koch-C-Dominik Butzmann

Jeannine Koch ist geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von medianet berlinbrandenburg e.V., Multiaufsichtsrätin bei VisitBerlin und Berlin Music Commission, Gründungsmitglied der She means Community sowie Mitglied im Digitalisierungsrat Potsdam

Liebe Jeannine, Ich freue mich sehr, dass du die Zeit gefunden hast, dich unserer FemalExperts-Community persönlich vorzustellen.

Ich kann mir vorstellen, dass viele Leser*innen unseres Onlinemagazins ganz ehrfürchtig deine Titel lesen und sich fragen, was für eine Persönlichkeit hinter all diesen Verantwortungsbereichen steckt: Magst du uns einen kleinen Einblick in deinen bisherigen Lebensweg geben? 

Ich bin eine echte Berliner Pflanze und gehöre noch zur Generation Praktikum. Während meiner Schul- und Studienzeit habe ich bereits diverse Erfahrungen in den verschiedenen Bereichen der Medienwelt sammeln dürfen. Im Studium hat es mich dann erst auf Weltreise und dann nach Australien verschlagen – in Sydney habe ich International Communications studiert und in Berlin Anglistik/Amerikanistik sowie Neuere Deutsche Philologie. Meinen Abschluss habe ich an der TU Berlin als Diplom Medienberaterin gemacht. Außerdem bin ich ausgebildeter systemischer Business Coach. Ich war sechs Jahre lang Marketing- und Kommunikationsleiterin der Internationalen Gartenausstellung, die 2017 in Berlin 2 Millionen Besucher*innen nach Marzahn-Hellersdorf lockte (IGA Berlin 2017) und anschließend als Direktorin der republica GmbH – Europas größte Digital- und Gesellschaftskonferenz – u.a. für die Expansion und Internationalisierung verantwortlich. Seit Januar 2021 habe ich das größte interdisziplinäre Branchennetzwerk der Hauptstadtregion, medianet berlinbrandenburg, mit seinen knapp 450 Mitgliedsunternehmen – also über 1.500 Multiplikator*innen – übernommen.    

Als Direktorin der republica GmbH warst du zuvor für zahlreiche nationale sowie internationale Konferenzen zur gesellschaftlichen Transformation und Digitalisierung verantwortlich. Inwieweit hat dich diese Erfahrung auf deine jetzigen Aufgaben und Herausforderungen vorbereitet? 

Schon während meines Studiums habe ich stets in Unternehmen gearbeitet, die einen starken Innovationsfokus hatten, seinerzeit zum Beispiel u.a. bei der Telekom, wo ich für zahlreiche Digitalisierungsprojekte verantwortlich war. In meiner Abschlussarbeit an der Uni habe ich mich mit der Auswirkung von Digitalisierung auf die Gesellschaft beschäftigt. Ich verfolge diese gesellschaftlichen Veränderungen also schon seit langem und habe sie stets in meine Arbeitsbereiche, Arbeitsweisen einfließen lassen.  Diese Transformation durch Digitalisierung findet schon seit einigen Jahren statt. Seit der Corona-Pandemie hat sich vor allem die digitale Entwicklung noch einmal enorm beschleunigt. Der internationale und multiperspektivische Ansatz der re:publica mit all seinen Themenfeldern und Innovationen hat mir aber auf jeden Fall Inspirationen für die Arbeit beim medianet verliehen. Auch wenn wir ein Netzwerk für die Region Berlin-Brandenburg sind, so ist es nicht ausreichend, in Grenzen zu denken. Wir leben in einer globalisierten Welt. Es lohnt sich also immer über den regionalen Tellerrand hinauszuschauen – und das machen wir fortlaufend. 

Wenn ich mich an meine Erfahrungen mit der Digitalbranche erinnere, so sah ich stets viele Frauen im Marketing oder im Bereich Social Media. Glaubst du, dass hier im Hinblick auf die Digitalbranche ein Wandel stattgefunden hat und wir nun auch im Bereich neuer (digitaler) Innovationen mehr Frauen auf (virtuellen/analogen) Bühnen sehen werden? 

Ich hoffe es zumindest. Aber ich erkenne auch einen klaren Trend, dahin, dass immer mehr Frauen in der Digitalbranche Führungspositionen einnehmen. Wir besetzen Panels bei unseren Events schon immer sehr divers, da sind spannende weibliche Persönlichkeiten dabei.  

Es gibt auch Signale aus der Politik, dass Frauen in der Wirtschaft grundsätzlich mehr Unterstützung erfahren: Die Senatswirtschaftsverwaltung hat kürzlich das Förderprogramm „Chancenfonds“ ins Leben gerufen, das den Anteil selbständiger Frauen/ Frauen, die selber gründen, erhöhen soll. Da geht es um Netzwerkveranstaltungen, Coaching-Programme und Beratungsstrukturen. Ich bin überzeugt: Unser Wirtschaftsstandort kann nur stärker werden, wenn er von Diversität geprägt ist und daraus weibliche Vorbilder hervorgehen. 

Wir unterstützen in diesem Zuge auch euer spannendes FEMALE INVESTORS‘ DINNER mit FemalExperts, ein Format in Form eines Matchmaking Dinners, welches Early-Stage-Startups aus dem B2B- und B2C-Bereich mit Investor*innen zusammenbringt. Man hört sehr oft die Kritik (nicht nur in der Digitalbranche), dass es beispielsweise Gründerinnen nicht an Kompetenz, sondern an monetären Mitteln fehlt. Wie ist deine Einschätzung in dieser Hinsicht? Würdest du sagen, mit mehr Kapital ermöglichen wir auch mehr (weibliche) Gründungsgeschichten? 

Es ist schon paradox: Statistiken zeigen, dass weibliche Gründungs-Teams durchschnittlich 10% mehr Einnahmen erwirtschaften und rund fünf Arbeitsplätze mehr als „Male Founder Startups“ schaffen. An der Kompetenz scheitert es also wahrlich nicht. Der soeben genannte “Chancenfonds” soll Frauen im Übrigen einen leichteren Zugang zu Kapital ermöglichen. 

Ich sehe hier mehr gesellschaftliche Herausforderungen, denn das Frauenbild ist immer noch von Fragen geprägt wie: Wie lange fällt man wegen einer Schwangerschaft aus? Wer betreut die Kinder? Das hat zur Folge, dass in weibliche Gründungs-Teams weniger investiert wird, wie Studien zeigen. Ich würde mir wünschen, dass es durch Aufklärungsarbeit gelingt, dass mehr Frauen in der Startup-Szene Fuß fassen und mit ihren kreativen Ideen begeistern können. 

Hast du einen konkreten Tipp für (angehende) Gründerinnen in der Digitalwirtschaft, den du vielleicht selbst gerne (früher) erhalten hättest? 

Mit einer guten Idee schaffst du es selten allein. Ich glaube es ist wichtig, sich frühzeitig ein Netzwerk aufzubauen und Menschen um sich herum zu haben, die einem ein kompetentes und ehrliches Feedback geben. Unabdingbar ist es auch, einfach über die Idee zu sprechen. Früher hieß es oft: Bloß nicht die Idee irgendwo öffentlich kommunizieren, könnte ja jemand kommen und sie vor einem umsetzen, das ist Quatsch. Es ist wichtig, sich mit den richtigen Leuten zusammenzutun. Rat und Unterstützung einzuholen, zu schauen, ob es vielleicht für das Vorhaben eine spezielle Förderung irgendwo gibt, um erst einmal loszulegen und dann ist das Wichtigste: Anfangen und sich nicht beirren lassen! Es wird immer auch Momente geben, in denen man das Gefühl hat, hier stockt man gerade, kommt nicht weiter, es bleiben Türen verschlossen – dann heißt es, einen Alternativweg suchen und weitermachen. Und mein persönlicher Rat ist bei allen Vorhaben: Kill Your Darlings! Bedeutet: Fokussiere dich auf das Wesentliche, was deine Idee ausmacht und versuche alles andere – zumindest im ersten Schritt – erst einmal wegzulassen oder nach hinten zu schieben, damit man sich nicht verzettelt.  

Ich war absolut begeistert zu lesen, dass du dich auch leidenschaftlich für die Themen Diversität & Inklusion, People & Culture, Nachhaltigkeit und Frauen als Führungskräfte einsetzt. Ich gehe hier in jeglicher Hinsicht mit dir in Resonanz, da auch ich mich hier stark einsetze und unser Magazin selbstverständlich ebenfalls diese Themen erlebbar und sichtbar machen möchte. Welche Chance bieten sich hier persönlich, wirtschaftlich und politisch diesen Themenfeldern intensiver zu widmen? 

Wir haben in den letzten Jahren einen unglaublichen Paradigmenwechsel erlebt. Ich habe mich oben noch als „Generation Praktikum“ vorgestellt. Ich glaube, all diejenigen, die dazugehören, verstehen genau, was ich damit meine. Viel (zum Teil richtig großartige, spannende) Arbeit, aber keinen Lohn. Früher hat der Arbeitgeber den Markt bestimmt und die Regeln erstellt, doch seit einiger Zeit, natürlich bedingt durch einen weiteren Paradigmenwechsel, nämlich weg vom Zeitalter der Industrialisierung hin zum Zeitalter der Digitalisierung, sprießen nie dagewesene Berufsbilder aus dem Boden, für die es zum Teil nicht einmal richtige Ausbildungen gibt.  

Siehe auch
Margarethe von Trotta_©Manfred Breuersbrock_MFA+_Alamode Film

Zudem stehen wir unter dem Damoklesschwert des „Demographischen Wandels“! Bis 2035 fehlen uns 7,2 Millionen Arbeitskräfte in Deutschland. Das sind riesige gesellschaftliche Herausforderungen. Alles zusammen hat dazu geführt, dass wir uns nun auf einem Arbeitnehmer*innen-Markt befinden. Die Arbeitnehmer*innen von heute und morgen haben aber inzwischen ganz andere Vorstellungen, wie sie ihr Leben gestalten möchten, als die Generationen davor. Das führt dazu, dass wir uns alle massiv hinterfragen müssen, unsere Unternehmen anders aufbauen sowie führen und uns schlichtweg alle zusammen darauf einlassen müssen, dass hier ein neues Zeitalter begonnen hat. Dies betrifft die gesamte Gesellschaft, jede Unternehmensform und -größe. SPOILER: Das wird auch so schnell nicht wieder verschwinden! 

Nun kenne ich das aus eigener Erfahrung, dass man nicht nur Zuspruch erfährt, wenn man sich mit kulturellen, inklusiven, diversen oder Female Empowerment-Themen auseinandersetzt. Hast du hier schon einmal Kritik erfahren und wenn ja, wie findest du hier Umgang mit kritischen Stimmen? 

Ja, sicher gab und gibt es hier an verschiedenen Stellen immer mal wieder Stimmen, die hinterfragen, ob das nun wirklich sein müsste und sich die Themen nicht schon längst von selbst ergeben haben. Ich gehöre ja quasi selbst zu einer marginalisierten Gruppe: „Ostdeutsche Frau in Führungsposition“ – das ist immer noch eine Seltenheit in Deutschland. Aber ich glaube gerade deshalb liegen mir diese ganzen Themen auch so sehr am Herzen. Ich kann als Person authentisch für Chancengleichheit und Gleichberechtigung stehen und das übrigens nicht nur, was Fragen nach Verteilung von Frauen und Männern in irgendwelchen Machtpositionen angeht. Diversität hat so viele Facetten und diese müssen wir alle in Betracht ziehen und mitdenken; gerade Personen in der Öffentlichkeit haben da eine große Verantwortung und die nehme ich ernst.  

Abschließend würde ich dich gerne fragen: Welche neuen Missionen warten auf dich als Vorstandsvorsitzende und CEO von medianet berlinbrandenburg e.V.? Wohin möchtest du dich als Geschäftsführende persönlich und unternehmerisch weiterentwickeln? 

Ich habe das medianet inmitten der größten je dagewesenen globalen Krise übernommen. Mitten in der Pandemie ein Netzwerk, deren bisherige Hauptaufgabe darin lag, durch verschiedene Veranstaltungsformate Menschen miteinander zu vernetzen, mit über 1.500 Einzelpersonen zu übernehmen, war gelinde gesagt purer Wahnsinn. Ich habe diese Anfangszeit vor zweieinhalb Jahren jedoch genutzt, um hier auch bereits Weichen zu stellen für die Zeit nach der Pandemie. Niemand konnte ahnen, dass weitere schwerwiegende Krisen folgen würden. Nichtsdestotrotz ist es mein Ziel, das Alleinstellungsmerkmal des Netzwerks, nämlich die Interdisziplinarität, noch stärker in den Fokus zu rücken. Spätestens seit der Pandemie haben die meisten Menschen und Unternehmer*innen verstanden, wie wichtig es ist, verschiedene Branchenbereiche miteinander zu verquicken. Es ist die Quelle von Innovation und das ist ein echter Mehrwert für das medianet und unsere Mitglieder. Die verschiedenen Branchen, die wir vertreten, Film/TV, Medien, Kreativagenturen, Startups und vor allem Games, als einen der größten Wachstumsmärkte, stärker miteinander zu vernetzen, das wird weiterhin spannend.  

Wir werden in diesem Jahr 22 Jahre alt, natürlich wollen wir weiterwachsen. Außerdem wollen wir das PEOPLE & CULTURE FESTIVAL erneut im November stattfinden lassen. Bei der ersten Ausgabe trafen spannende Unternehmen aus unseren Branchen der Medien-, Kreativ- und Digitalwirtschaft auf potenzielle neue Arbeitskräfte und informierten sich über die neuesten Trends der Arbeits- und Ausbildungswelt. Ich selbst bin leidenschaftliche Ideen- und Impulsgeberin und habe großes Interesse daran, innovative Konzepte für nachhaltige Wachstumsprozesse zu entwickeln und voranzutreiben. 

Was für ein inspirierender Einblick in die Digitalwirtschaft, vielen Dank dafür liebe Jeannine. Wir hoffen in Zukunft noch mehr über deinen persönlichen und unternehmerischen Lebensweg zu erfahren und freuen uns bereits über die nächsten Events und Austauschmöglichkeiten!

Über die Autorin

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Kinga Bartczak berät, coacht und schreibt zu Female Empowerment, neuer Arbeitskultur, Organisationsentwicklung systemischen Coaching und Personal Branding.

Zudem ist sie Geschäftsführerin der UnternehmerRebellen GmbH und Herausgeberin des FemalExperts Magazins.

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