Wer erinnert sich nicht an die erste Phase der Unternehmensgründung? – Euphorie, Kribbeln im Bauch, Produktivitätshochs – Wir fühlen uns wie die neuen weiblichen Einhörner der Businesswelt und schalten unser Mindset dauerhaft in den Erfolgsmodus.
Und dann kommt die Business-Midlifecrisis und wir nehmen zum gefühlt hundertsten Mal am Tag unser Smartphone in die Hand, um uns die Erfolgsstories anderer Frauen anzusehen und dabei die Frage zu verdrängen, wie uns so schnell die Puste ausgehen konnte.
Ich möchte an dieser Stelle mit einem Mythos aufräumen: Motivation ist nicht der notwendige Faktor, um produktiv zu sein. Es sind Erfolg und Freude am Prozess. Ist beides vorhanden, folgt die Motivation auf natürliche Weise.
Die meisten Ratgeber würden jetzt mit hohlen Phrasen um die Ecke kommen wie:
- Finde deine Passion.
- Tue was du liebst.
- Setze dir ein Ziel.
What a bullshit!
Diese Dinge machen aus einem armen Einwandererkind mit schlechter schulischer Perspektive keine Hochschulabsolventin einer Eliteuniversität, sie verhelfen einem nicht zum Businesserfolg und sie machen aus einem schon gar nicht eine Unternehmerin, die es versteht, im Spiel zu bleiben.
Die Gegenfragen die sich hier entsprechend auftun, liegen klar auf der Hand:
- Wenn es so einfach wäre seine Passion zu finden, hätte das dann nicht schon jede/r gemacht?
- Ist die Liebe gegenüber meinem Job nicht etwas einseitig, denn meine Arbeit liebt mich schließlich nicht zurück?
- Sind hochgesteckte Ziele nicht etwas für privilegierte weiße Cis-Frauen, die es sich leisten können, den Job hinzuschmeißen und die Welt zu bereisen?
Nicht alle Fragen lassen sich im Rahmen dieses Artikels klären. Im Hinblick auf mangelnde Motivation lässt sich jedoch folgendes sagen:
Die einzige Möglichkeit ein Motivationsloch zu überstehen, sind keine kruden Weisheiten aus drittklassigen Ratgebern. Manche lieben es zu zocken, den ganzen Tag Telenovelas zu schauen oder schnulzige Liebesromane zu lesen, aber bringt sie das im Business weiter? – Du kennst sicher die Antwort.
Wie also übersteht man eine Phase der Demotivation und findet in den Flow zurück?
1. Fokussiere dich auf den Prozess
Anstatt zur Prokrastinations-Weltmeisterin zu avancieren, indem du deinen privaten Hobbies nachgehst, um von der eigentlichen Arbeit abzulenken, wage einen Perspektivwechsel. Versuche Freude in den Dingen zu finden, die du täglich im Business tust, denn letztlich geht es nicht darum, ein Ziel zu erreichen, sondern die Reise fortzuführen und dich auf den Prozess zu fokussieren, welcher letztlich zum Erfolg führt. An dieser Stelle werfe ich gerne das berühmte Bambus-Beispiel ein: Dieser wächst zunächst fünf Jahre unterhalb der Erde, bevor er im Anschluss (für alle sichtbar) binnen weniger Wochen eine enorme Wachstumsrate erreicht.
2. Finde zu deinem natürlichen Spieltrieb zurück
„Gamification“ ist kein Buzzword aus der realitätsfernen Spielewelt irgendwelcher Nerds – Es ist Lebens- bzw. businessverändernd. Versetze dich selbst in die Lebensrealität eines Grundschulkindes. Kinder lernen das ABC nicht auswendig, sie singen es oder verbinden es mit Tierbildern, um es sich einzuprägen. Sie versuchen sich nicht verzweifelt das Sonnensystem zu merken, sondern erinnern sich an den berühmten Spruch „Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neuen Planeten.“ (Für diejenigen, die jetzt auf dem Schlauch stehen: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto). Ähnliches gilt für den Spruch: „Nie ohne Seife waschen.“ (Nord, Ost, Süd, West). Erinnere dich daran, was dich als Kind und junge Erwachsene wirklich angetrieben hat, etwas mit Freude lernen zu wollen und finde zu diesem Weg zurück. Spaß ist der Schlüssel zu mehr Produktivität, denn wenn wir Freude an etwas haben, dann führen wir es fort, auch wenn wir auf Herausforderungen stoßen.
3. Nutze deine Sinne
Dunkle Wolken, schlecht gelaunte Kunden/Kundinnen, Deadlines, dazu vielleicht sogar ein krankes Kind und der Partner/die Partnerin hätte auch gerne seine Portion Aufmerksamkeit. Manchmal können wir gar nicht so viel Kaffee trinken, um den notwendigen Antrieb für die Erledigung unserer Aufgaben zu finden. Hier hilft oftmals unser Instinkt. Aktiviere deine Sinne. Schalte deine Lieblingsmusik an, bestelle dir etwas leckeres (und gesundes!) zu Essen, welches nicht als Kompensation, sondern als Genuss wahrgenommen und richtig zelebriert wird. Mach dir eine Duftkerze an oder gehe eine Runde raus.
4. Vergiss die ewige Perfektionsblase
Ich versuche mal virtuell den Glitzer von der Social Media-Blase, in welcher wir uns alle befinden, zu blasen, denn diese ist hinter den Kulissen alles andere als perfekt. Manchmal sollten wir von Produktivitätshacks, Zeitpläne und gut gemeinten Ratschlägen Abstand gewinnen und schlicht den leichteren Weg gehen. Die Kinder werden nicht an einer Fertigpizza sterben, die Welt geht nicht unter, wenn am Ende des Tages nicht jede/r Kunde/Kundin zufrieden gestellt wurde und der Partner/die Partnerin bekommt keine erneute Absage, sondern die Einladung zu einem gemeinsam romantischen Date. Hier komme ich auf Punkt 2 meiner Gegenfragen zurück: Deine Arbeit liebt dich nicht zurück, dein Partner (oder auch Freunde/Familie) kann/können dir jedoch die notwendige Auszeit geben, die dein Kopf so dringend braucht.
5. Werde Teil einer Mastermind
Klingt albern, ist jedoch ein Gamechanger. Was früher das berühmte „Wir-heulen-uns-mit-einem-Glas-Wein-bei-unserer-besten-Freundin-aus“ war, ist heute der „Ich-finde-mich-mit-Gleichgesinnten-zusammen-und-arbeite-zielgerichtet-an-meinen-Herausforderungen-Modus“. Niemand ist dazu verdammt, stets seine Probleme selbst zu lösen. Sofern du keine professionelle Coachin als Sparringspartnerin an deiner Seite hast, schaue danach, dass du Teil eines weiblichen Power-Rudels wirst. Sie sehen Stolpersteine, reflektieren business orientiert und geben dir manchmal auch den notwendigen Tritt in den Allerwertesten. Nichts motiviert uns stärker, als zu beobachten, dass andere Frauen ebenfalls hart an ihren Zielen arbeiten und ihre wertvolle Zeit dennoch deinem Erfolg widmen, weil sie Alphafrauen sind und um den Nutzen einer Gemeinschaft wissen.
6. Achte auf dein Setting
COVID-19 hat es für alle etwas schwierig gemacht in den notwendigen Arbeitsmodus zu kommen. Besonders wenn man vom heimischen Küchentisch aus kreativ sein soll, bringt unser Gehirn den Ort eher mit kulinarischen Köstlichkeiten in Verbindung. Egal von welchem Ort aus du arbeitest, schaue danach, dass dein Setting deinen Bedürfnissen entspricht. Manche brauchen eine Umgebung, die Ihnen viele Sinneseindrücke erlaubt, wie beispielsweise ein Café oder ein Coworking Space. Andere wiederum brauchen Distanz sowie Ruhe und richten sich ein eigenes Homeoffice-Büro ein. Dritte finden ihren Arbeitsplatz in Naturnähe. Schaffe dir stets deine eigenen Gegebenheiten: Kein Café in der Nähe? Dann stelle deinen Schreibtisch in Fensternähe und beobachte, was du siehst. Du brauchst Distanz, doch die Kinder sehen das anders? Versuche zeitliche Slots zu setzen, in denen du dir vielleicht auch Unterstützung bei der Betreuung arrangieren kannst. Du bist ein Naturmensch, lebst aber mitten in der Stadt? Dann hole dir die Natur in die Wohnung, denn es ist erwiesen, dass Pflanzen am Arbeitsplatz unser Wohlbefinden merklich steigern.
7. Ersetze „Ich kann das nicht“ durch „Ich mach das nicht“
Vielleicht hast du dir bei meinen bisherigen Vorschlägen gedacht, dass diese für dich nicht umsetzbar sind. Vielleicht spürst du sogar deinen inneren Widerstand gegen jegliche Idee, die dich aus deinem liebevoll gegrabenen Motivationsloch rausholen könnten, aufkommen. Hier hilft nur eines: Raus aus der Opferrolle und der Komfortzone! Die Sätze: „Ich habe keine Zeit“, „Ich habe kein Geld“, „Ich kann das nicht“ verlegen die Verantwortung immer von einem selbst auf äußere Umstände. Hol dir deine Souveränität zurück, denn du sabotierst dich hier nur selbst. Natürlich hast du Zeit, denn wir alle haben 24 Stunden am Tag. Du setzt hier nur deine Prioritäten anders und das ist DEINE souveräne Entscheidung, erkenne diese als solche an. „Ich kann das nicht“ ist hierbei der schlimmste Satz und sollte dringend ersetzt werden. Du kannst nicht trinken, weil du schwanger bist – okay. Aber du kannst keine Sprache lernen, ein herausforderndes Projekt alleine durchführen, produktiv sein? – Nope, du kannst schon, aber du entscheidest dich dafür, es nicht zu tun und daran ist keine externe Kraft schuld, denn du kennst ja den berühmten Spruch:
Gib mir die Gelassenheit, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Reinhold Niebuhr
Die einzige Möglichkeit aus dieser „Ich-kann-das-nicht-Spirale“ herauszukommen ist also zu lernen, welche Dinge WIRKLICH nicht von dir geändert werden können und worüber du souverän bestimmen kannst.
8. Vergiss alle Ratschläge
Wie sagte Cicero so schön: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Wer bin ich, um dir schlaue Ratschläge zu erteilen? Im Zweifel kennen wir uns gar nicht, es wäre also anmaßend, Binsenweisheiten zu verschriftlichen und diesen hierdurch eine Allgemeingültigkeit zu verleihen. Betrachte diesen Artikel im besten Fall als Einladung, heute noch zu starten. Auch wenn es nicht auf Anhieb klappt, solltest du nicht zu hart mit dir ins Gericht gehen. Letztlich wäre eine gute Freundin für uns auch keine „Versagerin“, nur weil sie mal einen (oder ein paar) Tage das Leben als Couch-Potato ausprobiert hat oder?
Über die Autorin
Kinga Bartczak berät, coacht und schreibt zu Female Empowerment, neuer Arbeitskultur, Organisationsentwicklung systemischen Coaching und Personal Branding.
Zudem ist sie Geschäftsführerin der UnternehmerRebellen GmbH und Herausgeberin des FemalExperts Magazins.