
Wir freuen uns sehr, im heutigen FemalExperts Role Model Interview Frau Petra Nabinger begrüßen zu dürfen. Frau Nabinger ist Referentin im Bereich Compliance und Kennerin der Finanzbranche. Sie ist Mutter von vier Kindern, Netzwerkerin, Impulsgeberin – und eine engagierte Stimme für mehr Diversität in deutschen Chef*innenetagen. Mit ihrem neuen Buch „Frauen in Spitzenpositionen – Role Models der Finanzbranche“ stellt sie beeindruckende Karrierewege und Persönlichkeiten vor, die Mut machen und zum Umdenken anregen.
1. Liebe Frau Nabinger, ich freue mich sehr, dass Sie sich unserer Community vorstellen wollen – und beginne direkt mit der ersten Frage: Was war für Sie der prägendste Moment in Ihrer Karriere – ein echtes „Game Changer“-Erlebnis?
Zunächst einmal möchte ich hier erwähnen, dass ich sowohl stolz bin auf meine Familie, als auch auf meine berufliche Karriere. Als Mutter einer Tochter und von drei Söhnen bin ich glücklich und dankbar, dass alle vier Kinder den Weg in ein selbständiges Leben gemeistert haben. Sie auf diesem Weg zu begleiten, war herausfordernd, aber auch sehr erfüllend.
Im beruflichen Kontext bedeutete dieses Engagement für die Familie einen deutlichen Karriereknick, wobei ich mich immer wieder neuen Positionen in der Finanzwelt gewidmet habe. Im Prinzip war die Erfahrung, dass für Männer die Familiengründung ein Karriere-Booster und für Frauen ein Karriere-Hindernis ist, der Game Changer für mich. So bin ich auf eine außergewöhnliche Überholspur abgebogen und habe mich parallel zum Job für die Karriere als erfolgreiche Autorin entschieden.
2. Gibt es rückblickend Situationen, über die Sie heute herzlich lachen können – auch wenn Sie diese damals ganz anders wahrgenommen haben?
Die Absage für eine höhere Führungsposition, die ein nächster Karriereschritt für mich gewesen wäre, hatte mich damals sehr enttäuscht. Genauer gesagt, erlebte ich das sogar zweimal in verschiedenen Unternehmen. Im Nachhinein kann ich innerlich gelassen grinsen, weil ich genau weiß, dass beide Absagen nicht an mir als Person lagen, sondern an dem weiterhin funktionierenden „Thomas-Kreislauf“. Dieser Kreislauf, der von der AllBright-Stiftung so genannt wird, besagt, dass Personen für die Nachbesetzung von Management-Positionen solche Kandidaten auswählen, die ihnen sehr ähnlich sind. In der Folge besetzen Männer daher oftmals solche Posten wieder mit Männern.
Im Grunde genommen gab mir das die Energie, die ich in meine Autorentätigkeit investieren konnte. Es bestärkte mich auch darin und motiviert mich seither, Bücher zum Thema Chancengerechtigkeit zu verfassen. Denn in Gesprächen mit anderen Frauen erfahre ich immer wieder, dass ganz viele von ihnen ähnliche Situationen erlebt haben.
3. Welche Eigenschaft hat Ihnen in diesem Zusammenhang am meisten geholfen, beruflich und als Autorin voranzukommen?
Hier möchte ich die Frauenrechtlerin Helene Lange zitieren, die als Mentorin einer ihrer Mentees vor mehr als 100 Jahren folgenden Leitsatz mit auf den Weg gab:
In der Beständigkeit liegt das Geheimnis des Erfolges.
Soll heißen, dass wir uns auf dem Weg zum gesetzten Ziel nicht durch Niederlagen oder Hindernisse von der Spur abbringen lassen sollten. Kurskorrekturen sind natürlich möglich. Eine Wegbegleiterin sagte vor einiger Zeit zu mir, dass sie es erstaunlich findet, wie beharrlich ich mein Ziel über viele Jahre schon im Auge behalte.
Ein starker Motivator sind auch die wunderbaren Rückmeldungen zu meinen Büchern. Für mich fühlt es sich großartig an, wenn mich eine junge Frau um eine Widmung bittet, die ich ihr in eines meiner Bücher hineinschreiben darf.
4. Wie erleben Sie den Austausch mit der jüngeren Generation von Frauen in der Finanzbranche – was inspiriert Sie an ihren Einstellungen oder Perspektiven?
Ich freue mich immer, mit jungen Frauen ins Gespräch zu kommen, wie das z. B. im Rahmen einer Lesung gut möglich ist. Dabei fällt mir auf, dass sie sich zunehmend stärker vernetzen – sei es innerhalb des eigenen Unternehmens oder auch außerhalb. Denn sie wissen schon sehr früh Bescheid, was die unsichtbaren Barrieren sind, wie Voreingenommenheiten – die sogenannten Bias, familiäre Hindernisse oder die gläserne Decke. Und sie nutzen deshalb schon frühzeitig Netzwerke, um sich über all diese Themen vertraulich austauschen und gegenseitig anspornen zu können.
Jedenfalls ist das Vernetzen ein wichtiger Schritt, um sich beruflich weiterzuentwickeln. Es ermöglicht auch den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Ich finde es richtig gut, dass das viele junge Frauen erkannt haben und beherzigen.
5. Sie haben in Ihrem Buch „Frauen in Spitzenpositionen – Role Models der Finanzbranche“ beeindruckende Vorbildfrauen porträtiert – welche Geschichte hat Sie besonders emotional bewegt?
Hier kann und möchte ich gar nicht eine einzelne Geschichte auswählen. Jede einzelne dieser interviewten Frauen hat mich an irgendeiner Stelle im Lebenslauf emotional sehr berührt. Zum einen wird deutlich, wie facettenreich und individuell die Frauen ihren beruflichen Weg gegangen sind. Zum anderen gab es in jeder persönlichen Geschichte sehr beeindruckende Situationen, die bewältigt wurden – und dabei haben die Protagonistinnen jeweils für sich passende, individuelle Lösungen gefunden.
6. Wie haben Sie die Frauen für Ihr Buch ausgewählt – was war Ihnen dabei besonders wichtig?
Mir war es wichtig, Frauen mit unterschiedlichen Lebensmodellen zu finden. Damit meine ich Frauen, die mit oder ohne Kinder, mit oder ohne Lebenspartner ihre Karriere verfolgt haben. Zudem wollte ich auch Frauen unterschiedlichen Alters präsentieren. Und ich denke, das ist mir mit diesen Porträts recht gut gelungen.
7. Was hat Sie bei den Interviews mit den Expert*innen am meisten überrascht?
Hier nehme ich das Team des Personal-Recruiters Egon Zehnder International. Deren Gastbeitrag finde ich besonders wertvoll, weil darin klar die Fallstricke für Bewerberinnen von Vorstandspositionen angesprochen werden. In dieser Deutlichkeit hatte ich das nicht erwartet. Insofern ist deren Beitrag ein wichtiges Statement, das jede Kandidatin für die oberste Managementebene beherzigen sollte.
8. Sie haben mit vielen erfolgreichen Frauen aus der Finanzwelt gesprochen – inwieweit sehen Sie einen Zusammenhang zwischen finanzieller Unabhängigkeit und dem Mut, Führungsverantwortung zu übernehmen?
Verantwortungsübernahme im Beruf wird finanziell honoriert, denn die Führungs- und Schlüsselpositionen sind die besser bezahlten Jobs. Es handelt sich um Positionen mit Entscheidungsmacht, also auch Möglichkeiten aktiver Mitgestaltung. Als Führungskraft kann ich Menschen weiterentwickeln und beruflich begleiten – ich bin ein Stück weit für sie mitverantwortlich.
Solche gut dotierten Jobs sorgen für die eigene finanzielle Unabhängigkeit. Den Mut aufzubringen, Führungsverantwortung zu übernehmen, ist somit auch die Basis für ein selbstbestimmtes Leben. Es ist folglich auch der Mut, sein eigenes Leben selbst in die Hand zu nehmen. Im ersten Schritt also, für sich selbst verantwortlich zu sein – und im zweiten Schritt die Verantwortung für die mir anvertrauten Mitarbeitenden zu übernehmen.
9. Wie kann finanzielle Bildung bereits in jungen Jahren dazu beitragen, mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit Geld zu fördern – insbesondere bei Mädchen und jungen Frauen?
Themen wie das eigene Girokonto, die Vermögensbildung über regelmäßige Ansparpläne und auch die Altersvorsorge können nicht früh genug vermittelt werden. Neben dem Elternhaus kann oder sollte solches Wissen auch in Schulen vermittelt werden. Denn wer als erwachsener Mensch auf eigenen Füßen stehen möchte, sollte über finanzielle Bildung verfügen. Mädchen und junge Frauen sollten stets darauf bedacht sein, ihren späteren Lebensunterhalt eigenständig erwirtschaften zu können, um nicht in die Abhängigkeit eines Partners oder einer Partnerin zu rutschen. Insofern fördert finanzielle Bildung gerade auch das Bewusstsein dafür – und ist der Garant für ein selbstbestimmtes Leben.
10. Sie sprechen im Buch von strukturellem Wandel statt Einzelmaßnahmen – was genau meinen Sie damit, und welche konkrete Veränderung würden Sie sich in Unternehmen am meisten wünschen?
Das Thema ist äußerst vielschichtig. Es hängt entscheidend von der privaten Situation ab – in welcher Beziehung ich lebe bzw. wie ich meine private Lebensplanung gestalte. Sehr bedeutsam sind aber auch die beruflichen Rahmenbedingungen, wie z. B. Führung in Teilzeit oder familienfreundliche Sitzungstermine. Weiter geht es zu den Anreizen, die der Gesetzgeber vorgibt – wie z. B. das Ehegattensplitting.
Doch zurück zum Unternehmen selbst: Dort sehe ich Veränderungsmöglichkeiten dahingehend, dass sich die Unternehmensleitung das Ziel der Diversität im Management auf die Fahne schreibt bzw. dies in der Strategie verankert. Dieses Ziel wirkt sich nicht nur auf eine Reduzierung des unternehmerischen Risikos und eine Steigerung der Rendite aus, sondern auch auf eine veränderte Unternehmenskultur. Es gibt Studien, die belegen, dass Frauen eher in Führung gehen möchten, wenn die Kultur von Wertschätzung, Respekt und gegenseitigem Vertrauen geprägt ist. Eine Führungskultur, die von solchen Werten getragen wird, sollte somit auch als Paritäts-Booster wirken.
11. Wenn eine junge Frau heute Ihr Buch in die Hand nimmt – was sollte sie daraus unbedingt mitnehmen, und welche Botschaft liegt Ihnen hierbei besonders am Herzen?
Hier zitiere ich Michelle Obama:
Es gibt keine Grenzen für das, was wir als Frauen erreichen können.
Meine Motivation ist es, junge Frauen zu einem selbstbestimmten Leben zu ermutigen. Ich möchte ihnen vermitteln, dass sie gut genug sind und nicht ihr Licht unter den Scheffel stellen sollten. Sie sollten wissen, dass der Karriereweg für sie eher ein Hindernislauf ist, während Männer oftmals nach wie vor weniger Hürden vor sich haben. Dies soll nicht als Vorwurf an die Männer verstanden werden. Oftmals sind sie sich ihrer in diesem Zusammenhang existierenden privilegierten Situation gar nicht bewusst. Frauen können sich vom Selbstbewusstsein der Männer aber auf jeden Fall eine Scheibe abschneiden. Mit dem Buch möchte ich – um im Bild zu bleiben – den Frauen Hindernisse aus dem Weg räumen.
Mir liegt es ganz besonders am Herzen, hierfür ein Bewusstsein zu schaffen und junge Frauen zu bestärken, sich souverän auf den Weg zu machen. Die porträtierten Frauen haben mit mir sehr offen und authentisch über ihren Karriereweg gesprochen. Ich freue mich, wenn diese Role Models möglichst viele Leserinnen inspirieren. Und für den Leser und möglichen Unterstützer sollte das Buch ebenfalls wertvolle Erkenntnisse bieten.
Liebe Frau Nabinger, vielen Dank für das inspirierende Gespräch und Ihre persönlichen Einblicke. Ihr Engagement, Frauen in der Finanzwelt sichtbar zu machen, schafft nicht nur Orientierung, sondern eröffnet auch neue Perspektiven für eine zukunftsfähige Führungskultur. Ihr Buch ist weit mehr als eine Sammlung von Erfolgsgeschichten – es ist ein Impulsgeber für strukturellen Wandel, ein Plädoyer für mehr Mut und eine Einladung, bestehende Machtstrukturen neu zu denken. Wir sind überzeugt: „Frauen in Spitzenpositionen“ wird Denkanstöße geben, Gespräche anstoßen – und hoffentlich viele Veränderungen auf den Weg bringen.
Über die Autorin
Kinga Bartczak berät, coacht und schreibt zu Female Empowerment, neuer Arbeitskultur, Organisationsentwicklung systemischen Coaching und Personal Branding.
Zudem ist sie Geschäftsführerin der UnternehmerRebellen GmbH und Herausgeberin des FemalExperts Magazins.
- Kinga Bartczakhttps://femalexperts.com/author/kinga-bartczak/28. Juni 2025
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