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Mit der Faust in die Welt schlagen
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Mit der Faust in die Welt schlagen

Kinga Bartczak
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Ein Film über das, was bleibt, wenn Hoffnung verschwindet

In einem Dorf, das kein Zentrum hat, in einem Land, das sich noch selbst sucht, stehen zwei Jungen am Rand ihrer Kindheit und blicken in ein Nichts, das wie die Landschaft wirkt: weit, verwildert, scheinbar bedeutungslos – und doch voller Geschichte. Mit Mit der Faust in die Welt schlagen gelingt Constanze Klaue ein berührender, ungeschönter Film über Herkunft, Ohnmacht und die tiefen Narben, die die Nachwendezeit in vielen ostdeutschen Biografien hinterlassen hat.

Zwei Brüder. Eine Landschaft. Ein Gefühl von Verlorenheit.

Philipp und Tobias wachsen Anfang der 2000er Jahre in der ostdeutschen Provinz auf. Was mit dem Traum vom Eigenheim beginnt, verwandelt sich in eine jahrelange Baustelle – nicht nur aus Stein, sondern auch in den Herzen der Menschen. Der Vater verliert seine Arbeit, die Mutter kämpft gegen den Stillstand. Und die Kinder? Sie verlieren den Glauben daran, dass es einmal besser wird.

Die Welt, in der sie leben, ist geprägt von Leere, Perspektivlosigkeit und einem schleichenden Rückzug ins Innere. Während Philipp in der rechten Szene ein Ventil für seine Wut findet, wird Tobi zum Widerstandskämpfer – nicht aus politischem Bewusstsein, sondern aus dem dringenden Wunsch heraus, endlich gesehen zu werden.

Der Osten, den man nicht sieht – aber spürt

Klaue erzählt diesen Film aus einer Perspektive, die im deutschen Kino noch immer zu selten ist: von innen heraus. Ihre Figuren sind keine Stereotype, sondern fragile Menschen mit Sehnsucht, Stolz, Wut und Verletzlichkeit. Es sind Kinder „von der Baustelle“, wie sie selbst schreibt – nicht nur im wörtlichen, sondern auch im gesellschaftlichen Sinne.

Das ostdeutsche Narrativ, oft auf wirtschaftliche Statistiken oder Wahlverhalten reduziert, erhält hier endlich ein Gesicht. Ein junges, wütendes, verletzliches Gesicht. Klaue verwebt das Private mit dem Politischen, ohne je mit dem moralischen Zeigefinger zu winken. Stattdessen öffnet sie einen Raum für Empathie – nicht für Ideologien, sondern für Biografien.

Natur als Trost, die Landschaft als Spiegel

Die Bilder des Films sind ebenso roh wie poetisch. Gelbe Rapsfelder flackern im Sommerlicht, türkisfarbene Steinbrüche laden zum Sprung ins Ungewisse. Und doch: Die Schönheit täuscht nicht über das hinaus, was sich in den Köpfen und Körpern der Menschen abzeichnet. Es ist die Kargheit, das Unfertige, das diesen Film so ehrlich macht. Klaue zeigt keine Kulisse, sie zeigt eine innere Landschaft. Eine, in der Heimat keine Verheißung mehr ist, sondern eine Erinnerung daran, was hätte sein können.

Ein Film, der nicht erklärt – sondern erzählt

Klaue vermeidet Klischees, sie verzichtet auf eindeutige Täter und Opfer. Niemand ist nur „rechts“ oder „links“, niemand einfach nur gut oder böse. Vielmehr zeigt sie, wie Radikalisierung oft nicht aus Überzeugung entsteht, sondern aus einem Mangel: an Anerkennung, an Orientierung, an Alternativen. Der Film schreit nicht – er flüstert. Und gerade darin liegt seine Kraft.

Die Kunst, zu erinnern, ohne zu verklären

„Ich wünsche mir, dass die Menschen mit Empathie aus dem Kino gehen“

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, sagt Constanze Klaue. Und dieser Wunsch erfüllt sich. Mit der Faust in die Welt schlagen ist kein politisches Manifest, kein pädagogisches Drama. Es ist ein feinfühliger Film über das, was bleibt, wenn ein Land sich neu erfindet – und dabei viele zurücklässt.

Warum dieser Film jetzt wichtig ist

In Zeiten, in denen rechte Parolen wieder laut werden und sich Gräben in der Gesellschaft vertiefen, zeigt dieser Film, wie es dazu kommen kann – nicht entschuldigend, sondern erklärend. Er macht sichtbar, was oft im Verborgenen bleibt: die Biografien hinter den Statistiken, die Seelen hinter den Schlagzeilen.

Er ist ein Plädoyer für das Zuhören, das Hinschauen, das Erinnern. Und für die Erkenntnis, dass die Vergangenheit nicht vergeht – sondern weiterwirkt.

Über die Autorin

Kinga Bartczak
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Kinga Bartczak berät, coacht und schreibt zu Female Empowerment, neuer Arbeitskultur, Organisationsentwicklung systemischen Coaching und Personal Branding.

Zudem ist sie Geschäftsführerin der UnternehmerRebellen GmbH und Herausgeberin des FemalExperts Magazins.

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